Spurlos in der Nacht
selbstsicherer. «Wir sind keine Satanisten oder so», erklärte er hektisch. «Dafür halten uns viele, oder für Nazis. Aber das ist alles Blödsinn. Wir spielen einfach nur Live-Theater. Wir versetzen uns in eine andere Welt.»
«Für Außenstehende klingt das eben seltsam.»
«Ja, aber das ist es nicht. Sie könnten sagen, dass wir Computerspiele in die Wirklichkeit überführen. So einfach ist das. Früher haben wir per Computer Rollenspiele gemacht. Ich und zwei andere. Dann habe ich Kontakt zu Mire bekommen. Das ist so ein Chatroom im Net. Auf diese Weise haben wir noch andere kennengelernt. Wir nehmen kein Manuskript oder so. Die Anführer stellen den Rahmen auf, dann suchen wir uns Rollen aus und legen uns Kostüme zu. Und sehen, was passiert. Sie müssen doch zugeben, dass das durchaus spannend klingt?»
Roger Høibakk schaute zur Tür herein. Cato Isaksen winkte gereizt ab.
André Hansen sank in seinem Sessel in sich zusammen und trank einen Schluck Cola.
«Wir haben in Maiken Stenbergs Gartenhaus ein T-Shirt gefunden. Davon hast du natürlich schon gehört. Das gehört dir, nicht wahr?»
André Hansens Gesichtsausdruck veränderte sich. Er war jetzt nicht mehr Herr der Lage. Ihm schien plötzlich eingefallen zu sein, warum er hier saß. Kenneths Freundin war verschwunden. Und vielleicht wurde er ja selber verdächtigt.
«Aber ich bin doch nie bei Maiken», sagte er.
Cato Isaksen erhob sich und ging ans Fenster. Menschen und Autos eilten in dem grauen Wetter hin und her. Vieles musste vor Ostern noch erledigt werden. Schweigen senkte sich über den Raum.
Nach einer Weile drehte er sich zu André Hansen um.
«Daraufsteht Magic», sagte er. «Gehört es dir?»
«Es gehört mir. Aber bestimmt hatte Kenneth es ausgeliehen.»
«Was für Rollen übernimmst du eigentlich bei euren Rollenspielen?»
«Im Moment beschäftigen wir uns mit Vampiren. Ich bin ein alter Vampir. Ich habe gerade erst Fell für mein Gesicht aufgetrieben.»
Cato Isaksen setzte sich wieder. André Hansen faszinierte ihn. «Ihr habt ja auch im Alltag eine Art Verkleidung», sagte er.
«Manche halten uns für Goths, weil wir uns immer schwarz anziehen, aber das liegt eigentlich nur daran, dass uns die Farbe eben gefällt.»
«In deinem Computerzimmer hängt ein Plakat mit einem Stern.»
«Das ist ein Pentagramm, ein Drudenfuß.»
«Und dieses Zeichen ist auch auf dem T-Shirt, das wir gefunden haben. Ein kleiner Stern zwischen den Buchstaben. Kannst du mir erklären, was dieses Pentagramm bedeutet?»
«Es stammt aus dem Mittelalter. Die Magier damals glaubten, dass sie damit Geister herbeirufen könnten, die den Menschen dabei halfen, das Böse in Schach zu halten.»
Cato Isaksen ließ sich zurücksinken. Diese Information wollte er erst verarbeiten. André Hansen hatte, anders als sein Bruder, eine sehr feierliche und erwachsene Ausdrucksweise.
«Nehmt ihr Drogen oder irgendwelche Medikamente, wenn ihr spielt?»
«Nein. Sind Sie verrückt?» Diese Frage schockte ihn offenbar. «Das ist doch gerade so verdammt ärgerlich. Wir nehmen keine Drogen. Wir tun keiner Fliege etwas zuleide. Wir fordern uns selbst heraus. Das ist wie bei einer Theatergruppe.»
«Und Kenneth?»
«Was ist mit dem?»
«Das frage ich dich ja gerade.»
André Hansen starrte ihn aus seinen schwarzen Augen an. «Kenneth ist unintelligent», sagte er dann endlich. «Wie die meisten.»
«Ach. Und wie meinst du das?»
«Wie ich es gesagt habe. Ich habe einen IQ von 140.»
Jemand knallte draußen auf dem Gang mit einer Tür. Es regnete jetzt. Die Tropfen klatschten draußen auf die Fensterbank.
«Was für ein Osterwetter», sagte Cato Isaksen und lächelte den Jungen im Sessel entwaffnend an. «Was glaubst du, was mit Kathrine passiert ist?», fragte er dann plötzlich.
André Hansen schloss für einen Moment die Augen. «Ich weiß nicht», sagte er.
«Das T-Shirt war voller Blut», sagte der Ermittler. «Glaubst du, dass sie tot ist?»
André Hansen schaute ihn mit ernster Miene an. «Ich glaube, sie lebt noch», sagte er dann. Er hätte sich die Zunge abbeißen können. Das war sicher die falsche Antwort gewesen.
Cato Isaksen starrte den Jungen an. «Und warum glaubst du das?», fragte er.
«Intuition», sagte André Hansen feierlich, während sein Herz unter dem schwarzen T-Shirt hämmerte.
Cato Isaksen musterte die Hände des anderen, saubere dünne, weiße Finger. «Ich begreife noch immer nicht so ganz, was ihr an diesem
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