Spurlos in der Nacht
die nicht hierherpassten. Helena Bjerke und Tage Wolter waren am Vortag in Arjäng gewesen. Cato Isaksen hatte sie angerufen, um sich nach dieser Fahrt zu erkundigen, um zu fragen, ob es etwas Neues gebe. Das war jedoch nicht der Fall. Er hatte mit Tage Wolter gesprochen. Der Stiefvater berichtete, dass sie seine Mutter in der Kate besucht hatten, die sie und Tages Bruder in der Nähe von Järnsjön bewohnten. Die beiden hatten Kathrine nicht gesehen und auch nichts von ihr gehört, behaupteten sie. Eigentlich passte es Cato Isaksen nicht, dass Tage Wolter vor ihm hier gewesen war. Er wusste nicht, was er von diesem Mann halten sollte. Aber jetzt konnte es ja auch den Anschein erwecken, als sei Kathrine freiwillig verschwunden.
Roger Høibakk hielt vor einer Parkuhr mitten im Ortskern. Die Ermittler drehten eine kleine Runde, suchten allerlei Läden auf und fragten, ob jemand Kathrine gesehen habe. Das Bild, das sie vorzeigten, war ein Klassenfoto aus dem Vorjahr. Niemand hatte sie gesehen, bis ein Obsthändler, der auch Ansichtskarten verkaufte, ein wenig unsicher wurde. «Aber es gibt ja so viele junge Mädchen, die so aussehen», sagte er dann und änderte seine Meinung. «Nein, ich glaube nicht, dass ich sie gesehen habe», sagte er.
Die gleiche Karte mit dem Bild der Hauptstraße, die Kathrine geschickt hatte, wurde beim Obsthändler, in einem Buchladen und am Kiosk auf dem Marktplatz verkauft. «Sie muss doch hier gewesen sein», sagte Roger Høibakk voller Überzeugung.
Sie ließen sich die Nummer der Lokalzeitung geben und machten ab, dass dort am folgenden Tag eine Vermisstenmeldung mit Kathrines Bild veröffentlicht werden sollte. Dann nahmen sie noch Kontakt zu einem lokalen Radiosender auf.
Es ging schon auf zwölf Uhr zu, als sie auf einem kleinen Hof bei Sanda in der Nähe von Järnsjön vorfuhren. Vor dem Haus stand ein alter weißer Saab. Ein niedriges rotes Wohnhaus und einige ziemlich baufällige Wirtschaftsgebäude, sicher Stall und Scheune, umgaben den Hofplatz. Blumen und Unkraut quollen durch den Kies auf der unebenen Auffahrt.
Eine ältere Frau in karierter Hose und hellblauem Wollpullover kam aus dem Haus. Sie hatte sie offenbar schon erwartet. Sie war kräftig und hatte ein breites, farbloses Gesicht. Der Bauch wölbte sich vor unter dem eng sitzenden Pullover, der offenbar auch schon bessere Tage gesehen hatte. Auch ihre Hände waren groß.
Sie stellte sich als Agnetha Wolter vor und reichte den Ermittlern die Hand.
«Sie waren schon hier», sagte sie mit trauriger Stimme. «Mein Sohn und seine Freundin. Das ist alles so schrecklich.»
Cato Isaksen sah auf sie herunter. Sie konnte unmöglich größer als einen Meter sechzig sein. Johan Wolter kam aus dem Haus, das wohl der Stall war. Tage Wolters Bruder hatte keinerlei Ähnlichkeit mit Kathrine Bjerkes Stiefvater.
Johan Wolter war ein kleiner, kräftiger Mann mit groben Augenbrauen. Er hatte das gleiche breite Gesicht wie seine Mutter und trug Arbeitskluft. Cato Isaksen dachte, dass Tage Wolter und sein Bruder unmöglich denselben Vater haben könnten. Der Mann begrüßte die Ermittler kurz und schwieg dann.
Aus der Scheune kam eine schwarze Katze. Cato Isaksen bückte sich und streichelte sie. Er dachte an seinen verschwundenen Kater Marmelade.
Sie wurden in die große Küche gebeten. Sie ließen sich an dem alten Küchentisch nieder. Cato Isaksen nahm die Kaffeetasse, die die alte Dame ihm reichte. «Wann haben Sie Ihren Sohn zuletzt gesehen? Abgesehen von gestern», fragte er.
«Ach, das ist schon viele Jahre her», sagte sie leise.
«Können Sie mir sagen, warum?»
«Nein», erklärte sie und schaute ihn aus ihren hellblauen Augen an. Sie hatte ihre grauen Haare aus ihrem Gesicht gekämmt und hinten zu einem Knoten hochgesteckt.
«Es geht um Geld.» Johan Wolter kam herein. Er zog seine Arbeitshandschuhe aus und legte sie auf eine Kommode. «Wir werden nicht renovieren. Wir werden verkaufen», sagte er mit harter Stimme. «Tage ist uns überhaupt keine Hilfe. Er ist ein Lügner und ein Heuchler.»
Die Mutter winkte ab. «Darüber wird nicht geredet», sagte sie und wandte sich wieder den Ermittlern zu.
«Mein Bruder soll sich zum Teufel scheren», erklärte Johan Wolter unverdrossen.
«Nein, Johan, lass das.» Die Mutter wehrte unglücklich ab. Es war ganz deutlich, dass sie über dieses Thema unter keinen Umständen reden wollte. «Wir kennen diese Kathrine überhaupt nicht», sagte sie dann. «Das mit der Karte
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