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Spurlos in der Nacht

Spurlos in der Nacht

Titel: Spurlos in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unni Lindell
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fettig und vernachlässigt. Randi Johansen wurde gebeten, an dem Gespräch teilzunehmen und Notizen zu machen.
    «Ich habe gelogen», sagte Helena Bjerke müde. «Es tut mir Leid.»
    Cato Isaksen musterte sie mit ernster Miene. «Warum wollten Sie ihn beschützen?»
    «Ich wollte ihn nicht beschützen. Aber ich hatte die ganzen Gerüchte so satt. Ich kenne Tage doch», sagte sie leise. «Ich kenne ihn doch», sagte sie dann noch einmal. «Aber jetzt weiß ich es nicht mehr. Er war an dem Abend, an dem Kathrine verschwunden ist, nicht die ganze Zeit zu Hause.»
    «Wann und wie lange war er fort?»
    «Ich weiß es nicht mehr genau. Eine Dreiviertelstunde vielleicht. Von Viertel nach zehn bis elf oder so.»
    «So spät noch?»
    «Er wollte noch nach dem Boot schauen. Das macht er häufiger. Er musste bis neun arbeiten und kam erst um halb zehn nach Hause. Es war nach zehn, bis wir dann gegessen hatten. Ich muss jetzt einfach rauchen», sagte sie bittend.
    Cato Isaksen nickte widerwillig und holte einen Aschenbecher, der schon lange nicht mehr benutzt worden war.
    «Sie sind also bisher noch nicht auf die Idee gekommen, dass er etwas mit der Sache zu tun haben könnte», fragte er.
    «Nein. Ich weiß nicht genau, wann er wieder da war», sagte sie und zündete mit einem grünen Feuerzeug ihre Zigarette an. «Er ist im Moment schrecklich traurig. Enttäuscht von mir», sagt er. Sie stieß Rauch aus. «Er beteuert, dass er nichts damit zu tun hat. Und das glaube ich ja auch gar nicht», fügte sie hinzu. «Aber ich will jetzt alles auf dem Tisch haben. Ich habe ein scheußliches Gefühl, was diese Karte angeht. Vielleicht hat jemand sie dazu gezwungen, sie zu schreiben.»
    Randi Johansen schaute Helena Bjerke ruhig an. Sie konnte es nicht fassen, wie eine Frau ihren Geliebten beschützen konnte, statt die Wahrheit über ihr verschwundenes Kind ans Tageslicht zu holen. Mit einem gewissen Schaudern ging ihr auf, wie bereitwillig sie ihre Tochter geopfert hätte.
    «Haben Sie darüber nachgedacht, was Maiken erzählt hat, dass er Kathrine unter der Dusche beobachtet hat?», fragte Cato Isaksen vorsichtig.
    «Ja», sagte sie hart. «Das habe ich.»
    «Und?»
    «Ich kann es einfach nicht glauben», erklärte sie wütend. «Bitte, quälen Sie mich damit nicht mehr. Sie haben Kathrine nicht gekannt. Ich hätte das von Tage auch nicht erzählen dürfen. Das bereue ich jetzt schon.»
    Randi Johansen schaute sie resigniert an. Auf irgendeine Weise machte Helena Bjerke jetzt eine Phase durch, in der sie einfach aufgegeben hatte. Ihr Zorn richtete sich gegen Kathrine. Das war vielleicht leichter zu ertragen, denn Kathrine war ja verschwunden. Stille breitete sich im Zimmer aus. Am Ende fragte Randi Johansen, ob sie keine Angst habe, sich zu irren. Ob ihr Freund nicht doch etwas mit Kathrines Verschwinden zu tun haben könne.
    Helena Bjerke drückte wütend ihre Zigarette im Aschenbecher aus. «Doch», sagte sie verbissen und brach in Tränen aus. «Deshalb bin ich ja gekommen. Aber ich kann die Vorstellung nicht ertragen. Wenn die Angst auftaucht, dann scheint mein Körper sich mit Insekten zu füllen, die mich von innen her auffressen.» Wieder blickten die beiden Frauen einander an. Am Ende schlug Randi Johansen die Augen nieder.
    «Wir wissen, dass Tage Wolter ein ziemliches Temperament hat», sagte Cato Isaksen ruhig. «Ist er gewalttätig?»
    «Er wird auch nicht wütender als andere. Und wer hat das überhaupt behauptet?», fragte sie.
    «Seine Mutter», sagte Cato Isaksen.
    Sie schnaubte. «Die alte Kuh. Die zieht doch diesen Scheiß-Johan vor, dass es zum Himmel schreit. Haben Sie den übrigens auch getroffen?»
    «Ja.»
    «Und was halten Sie von so einem, der seiner Mutter am Rockzipfel hängt, damit er mal alles erbt? Tage hat sich immer schon allein versorgt. Ich glaube, sein Bruder könnte einen Menschen umbringen, nur, um das Geld für diesen Hof zu bekommen.»
    Die anderen musterten sie schweigend. Sie war von der eigentlichen Frage abgewichen. Das kam durchaus vor und war nicht schwer zu verstehen.
    «Kathrines Lehrerin sagt, sie hätte andere schikaniert», sagte Cato Isaksen.
    «Ja», sagte Helena Bjerke kurz. «Das kann ich mir denken.»
    «Und wie sehen Sie das?»
    Sie schloss für einen Moment die Augen. «Sie wissen doch, wie Kinder sind», sagte sie resigniert. «Ich halte das für leicht übertrieben. Kinder müssen selber zurechtkommen.»
    Peinliches Schweigen füllte das Zimmer. Randi Johansen und Cato Isaksen

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