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Spurlos

Spurlos

Titel: Spurlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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ob dieser Horkay der Mann war, der ihn all die Jahre zum Narren gehalten hatte.
    Brett Horkays Vater Istvan hatte von 1977 bis 1982 eine Professur an der Universität in Adelaide inne, im Fachbereich Ethnologie. Er hatte wissenschaftliche und populäre Artikel und Bücher über die Aborigines in Arnhemland, auf Groote Eylandt, Bathurst und Melville Island verfasst.
    Brett Horkay hatte in Adelaide und Sydney Ethnologie und Psychologie studiert und bis vor zwei Jahren als Auslandskorrespondent im Südpazifik für die Melbourner Tageszeitung The Age im Südpazifik gearbeitet. Er veröffentlichte Reiseerzählungen sowie Sammlungen seiner Reportagen. Und er unterrichtete Kreatives Schreiben. Ja, dachte Shane, und einen dieser Kurs hatte Valerie Tate gebucht. Heute würde Horkay einen Workshop leiten. Da könnte er ihn sich vornehmen.
    Sein Nacken schmerzte, und seine Augen brannten. Ich muss ein paar Stunden schlafen, dachte er und lehnte sich im Sessel zurück. Sein Blick glitt über die Wände mit Costarellis Auszeichnungen und Gratulationen zum Geburtstag oder zu Dienstjubiläen. Port Moresby, Papua Neuguinea konnte er auf einer der Urkunden entziffern, und Bangkok, Thailand. Er stand auf und trat an die hinter Glas hängenden Dokumente. Die Kollegen aus Thailand dankten dem australischen Team, das ihnen nach der Tsunami-Katastrophe bei der Identifizierung der Leichen geholfen hatte. Nachdenklich ging Shane zum Fenster, einem schwarzen Rechteck in der Wand. Er schaltete das Licht aus. Erst jetzt konnte er draußen etwas erkennen. Unter dem großen Baum mit den Luftwurzeln, die sich wie lange Finger in die Erde zu bohren schienen, lagen wie so oft Aborigines im Gras, Weinkartons neben sich. Sie schliefen längst.

S onntag, 17. Juni

1
    Schwer und grau hingen die Wolken am Himmel. Eine Regenfront nähere sich vom Landesinnern, hieß es in den Nachrichten. Tamara streckte die Arme, lehnte den Kopf an die Kopfstütze und versuchte sich zu entspannen. Neben ihr auf dem Beifahrersitz lag die Handtasche mit dem Aufnahmegerät. Es besaß ein exzellentes Mikrofon: einen schönen, verzierten Knopf, außen, über dem Verschluss der Tasche. Ihre Glock lag im Handschuhfach. Die kleine Beretta trug sie unter der weiten Leinenhose an der Wade. Sie fuhr in gleichmäßigem Tempo, der Verkehr war jetzt um die Mittagszeit nicht besonders dicht.
    Sie hatte am Morgen Shane angerufen und ihm von ihrem Verdacht berichtet, doch er hatte behauptet, einen Schriftsteller namens Brett Horkay im Visier zu haben. Einen Moment lang überlegte sie die Sache aufzugeben. Doch dann hatte sie zum Hörer gegriffen und bei Qantas nachgefragt, ob am gestrigen Samstag oder am Freitag ein Todd Hoffman auf der Passierliste der Flüge Darwin - Brisbane gestanden habe. Aus Datenschutzgründen hatte man ihr diese Auskunft verweigert. Leider waren alle drei Kontaktpersonen, die ihr sonst solche Anfragen - wenn auch inoffiziell - beantworten konnten, verreist oder krank.
    Wieso nur waren Shane und Tom so sicher, dass sie alles über Todd Hoffman wussten?

    Vor einer halben Stunde hatte sie im Bottle Shop eine Flasche Champagner gekauft. Dabei hatte sie Patty vor gesehen, wie sie an jenem Abend das Pub betrat, in dem ihr Exfreund Steve mit seinen Freunden trank.
    „Den Kühler gibt es gratis dazu “, sagte der Verkäufer. Tamara zahlte und nahm den kühlen neuseeländischen Champagner, der jetzt in einer dunkelgrünen isolierenden Verpackung steckte und neben dem Aufnahmegerät auf dem Beifahrersitz lag. Seltsame Mitbringsel, dachte sie, aber passten sie nicht genau zu ihren widerstreitenden Absichten?
    Tamara entdeckte die alten Eukalyptusbäume vor der Einfahrt zum Haus, die er ihr beschrieben hatte und bog ein. Ein Schwarm rosafarbener Galah-Papageien flog vor dem Wagen auf. Das Haus war ein einfaches Holzhaus, sicher dreißig Jahre alt. Die weiße Farbe blätterte ab und die Fenster mit den Fliegengittern waren verwittert. Von seinem Auto keine Spur. Sie parkte, nahm Handtasche und Champagner und stieg aus.
    Ein kühler Wind - Vorbote des Regens - wehte, und sie war froh, dass sie die lange Hosen angezogen hatte. Vielleicht gab es eine Garage und sein Wagen stand dort, dachte sie, als sie über den von der Sonne verbrannten Rasen zwischen grauen, dornigen Büschen hindurch zum Eingang ging. Sie zog die Fliegentür auf und klopfte an die massive Holztür. Niemand öffnete.
    Ihr erster Gedanke war: Er hat es mit der Angst zu tun bekommen und ist abgehauen. Ihr

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