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Spurlos

Spurlos

Titel: Spurlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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zweiter: Das ist eine Falle. Bevor sie noch eine andere Möglichkeit durchdenken konnte, bog sein roter Firmenkombi auf die unebene Einfahrt ein.
    „Sorry! Sie sind aber pünktlich!“, rief er beim Aussteigen. Er lächelte und war mit wenigen Schritten bei ihr. „War ich zu direkt mit meiner Einladung?“ Diesmal trug er ein sandfarbenes Hemd mit Achselklappen und eine Hose in derselben Farbe. Wieder der Ranger, dachte Tamara und sagte:
    „ Sie sehen ja, ich habe nicht gekniffen.“
    „Allerdings.“ So gut gelaunt und entspannt hatte sie ihn bei ihrer ersten Begegnung nicht erlebt. Im linken Arm hielt er zwei große weiße Plastiktüten, mit der rechten Hand schloss er die Tür auf. Als sie neben ihm stand, bemerkte sie seinen Geruch nach frischem Duschgel. Das kurz geschorene rotblonde Haar glänzte im Sonnenlicht. Doch die Falten um seine Augen wirkten tiefer. Zeichen von zu wenig Schlaf, dachte sie und machte auf ihrer gedanklichen Verdachtliste ein Kreuzchen.
    „Ich mache ziemlich gute Steaks – ich hoffe, Sie sind keine Vegetarierin?“ Er grinste und stieß die Tür auf.
    „Im Moment nicht ...“, erwiderte sie.
    Das Innere des Hauses wirkte genauso, wie es das Äußere vermuten ließ. Es bedurfte dringend einer Renovierung. Die gelblichen Wände des schmalen Flurs wiesen graue Schatten auf, wo früher einmal Bilder gehangen haben mussten. Der gelb und beige gemusterte PVC-Boden löste sich an den Rändern ab.
    „ Hier müsste dringend was gemacht werden ...“ Er drehte sich zu ihr um. „...aber ich habe einfach keine Zeit!“ Sie folgte ihm mit Handtasche und Champagnerflasche geradeaus in Küche und Wohnzimmer. Der hellbraune, an einigen Stellen abgetretene Teppichboden wellte sich. Todd setzte die Tüten auf der gelben Kunststofftheke ab. Ein abgestandener Geruch nach alten Möbeln und faulem Obst hing im Haus.
    „ Entschuldigen Sie den Geruch! Würden Sie mir helfen, alle Fenster aufzureißen?“ Schon machte er sich daran, die Verandatür aufzuschieben.
    Er lebte allein. Jeder Raum legte Zeugnis davon ab. Ein durchgesessener Sessel im Wohnzimmer neben einer alten, gelblichen Plüschcouch, ein Stuhl an einem kleinen Tisch, eine Tasse im Spülbecken. Als sie die Tür am hinteren Ende des Flurs öffnete, blickte sie in ein kleines, helles, rosafarben tapeziertes Zimmer. Eine rötliche Tagesdecke war über das Einzelbett gebreitet, ein großes Kissen lag dekorativ am Kopfende. Ein Stuhl, ein zierlicher weiß gestrichener Tisch und ein dazu passender Schrank vervollständigten das Mobiliar. Zu beiden Seiten des Fensters, von dem man aus auf den gemähten Rasen sah, hingen ein rötliche Vorhänge, auf dem PVC-Boden lag ein bunt gewebter Bettvorleger. Ein hübsches Zimmer für eine brave, etwas naive junge Frau, dachte Tamara und fügte noch das Wort altmodisch hinzu.
    Sie wollte gerade die dem Bad ezimmer gegenüberliegende Tür öffnen, als sie ihn rufen hörte: „Da nicht!“
    Überrascht und irritiert drehte sie sich zu ihm um. Er kam langsam auf sie zu. Er stand jetzt nah bei ihr. Das durch das Mädchenzimmer in den Flur fallende Licht warf hinter ihm ein helles Muster an die Flurwand, in dem sich die Äste eines Busches abbildeten. Sie hätte jetzt einfach die Hand vom Türknauf nehmen können. Aber sie tat es nicht, sondern setzte stattdessen ein herausforderndes Lächeln auf.
    „Hüten Sie darin etwa ein Geheimnis?“
    Sein Blick blieb a uf sie gerichtet. Es fiel ihm augenscheinlich schwer, eine passende Erwiderung zu finden.
    Was verbarg er da hinter der Tür? Seine Trophäen ? Dinge, die seinen Opfern gehört haben? Erinnerungsstücke an einen übermächtigen Vater? Filme und Fotos, die seine Taten dokumentierten? Oder war da nur ein harmloses unordentliches Zimmer mit geschmacklosen Gardinen und altmodischen Tapeten?
    „Was halten Sie von einem Glas Champagner, oder wollen Sie ihn wieder mitnehmen?“ Seine Stimmte riss sie aus ihren Fantasien.
    In i hrer Handtasche befand sich das Aufnahmegerät, und an ihrer Wade steckte die kleine Beretta ... Das Spiel konnte beginnen.

2
    Im großen weißen Zelt diskutierten vier Autoren auf einem Podium vor einem gebannt lauschenden, überwiegend weiblichen Publikum. Vom Meer her blies eine leichte Brise, und die hohen Bäume am Saum der Wiese spendeten angenehmen Schatten. Ein süßer Blütenduft lag in der Luft. Nichts erinnerte daran, dass gestern kaum fünfhundert Meter entfernt eine Leiche gefunden worden war. Gestern – als noch keiner von

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