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Spurlos

Spurlos

Titel: Spurlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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er:
    „Also, worin besteht Ihre Hilfe?“
    Auch jetzt lächelte sie nicht, sondern sah ihn nur mit ihren blauen Augen an. Dann beugte sie sich zu ihrer Aktentasche hinunter, öffnete sie, nahm ein Blatt heraus und schob es über den Tisch.
    „ Ein Beleg“, sagte sie. „Valerie hatte ihn ein paar Tage vor ihrem Tod in die Abrechnung gegeben.“
    Er betrachtete die Quittung des Darwin Casino-Restaurants über hundertachtzig Dollar. Mehrere Drinks, zwei Vorspeisen, zwei Hauptgerichte, zwei Desserts, zwei Kaffee.
    „ Ja und?“
    „Drehen Sie ihn um.“
    Auf der Rückseite waren handschriftlich zwei Namen notiert: Valerie Tate und Chris Bonnet.
    Er zuckte die Achseln.
    Jetzt lächelte sie. „Ich mache hin und wieder Stichproben, was die Abrechnungen meiner Mitarbeiter angeht. Gesundes Misstrauen, würde ich sagen.“
    „ Oder Kontrollfreak“, warf er ein.
    Sie grinste. „Ich werde nicht gern um mein sauer verdientes Geld betrogen.“ Sie wurde wieder ernst. „Chris Bonnet ist Unternehmer.“
    „Warum lädt ihn Valerie Tate zum Essen ein?“
    „Klientenpflege.“
    Shane schaute sie fragend an. „Also durchaus normal. Was ist dann so merkwürdig, dass Sie mir diese Quittung nachts in mein Hotelzimmer bringen?“
    „ Wissen Sie, was ich an Ihnen mag, Shane?“
    „ Alex, bisher hatte ich nicht das Gefühl, dass sie überhaupt etwas an mir mögen.“
    Ihre Mundwinkel verzogen sich spöttisch. „Ich mag es, wie Sie ihre Wut gegen mich unterdrücken.“
    Früher, bevor er Carol kennen gelernt hatte, hätte ihn diese Art von Frauen gereizt. Doch jetzt nervte sie ihn nur.
    „Gut, dann ist das also zwischen uns geklärt. Verraten Sie mir jetzt, was an dieser Quittung so merkwürdig sein soll?“
    Sie räusperte sich. „ An diesem Abend war Chris Bonnet nachweislich mit seiner Frau im La Piazza, einem Restaurant unten in Cullen Bay. Ich habe die beiden zufällig getroffen.“ Ihre Armreifen klimperten, als sie sich eine Strähne aus der Stirn strich.
    Er begriff noch immer nicht.
    „Und was hat das mit dem Mord zu tun?“
    Sie lächelte spöttisch.
    „Was ist los mit Ihnen, Detective? Sind Sie auf einmal auf den Kopf gefallen? Valerie Tate war mit jemand anderem im Casino essen.“
    „Na und? Sie hatte einen Liebhaber, Matthew Griffith.“
    „Der war es nicht. Und Fraser Bowman war es auch nicht. Ich habe mich erkundigt.“
    „Aber sie muss ja nicht gleich mit ihrem Mörder essen gewesen sein. “
    Sie hob die fein geschwungenen Augenbrauen. „Vielleicht doch?“
    „Vielleicht hat sie das öfter gemacht, Alex. Vielleicht hat sie Sie schon jahrelang um ihr sauer verdientes Geld betrogen. Wieso sollte es diesmal ausgerechnet ihr Mörder gewesen sein? Und außerdem: Das Essen liegt mehr als zwei Wochen zurück!“
    „ Ich weiß nicht, Detective, ob Sie es sich beim Stand Ihrer Ermittlungen leisten können, diesen Hinweis einfach lächerlich zu finden?“
    „Ich finde ihn nicht lächerlich, es ist nur …“
    „… nur was? Weil ich ihn bringe? Der Kellner könnte Ihnen helfen, ein Phantombild zu erstellen.“
    Sie sah ihn eindringlich an, und Shane stellte sich vor, dass sie auf diese Weise auch ihre Mandanten und beruflichen Gegenspieler in ihren Bann zu zwingen versuchte.
    „ Sie haben doch sonst keine Spur, Shane.“ Sie stand auf.
    „He, vergessen Sie nicht Ihre Quittung, damit Sie Ihr sauer verdientes Geld von der Steuer zurückkriegen!“
    Mit einer raschen Bewegung riss sie ihm das Papier aus der Hand.
    „Ehrlich gesagt, ich habe gedacht, Si e sind cleverer als die anderen Cops. Aber ich hab’ mich anscheinend getäuscht.“ Sie ging an ihm vorbei und zog die Tür hinter sich zu.
    Er ging ins Bett und versuchte zu schlafen, doch es gelang ihm nicht. Er verschränkte die Arme unter dem Kopf und starrte ins Dunkel. Fernsehen wollte er nicht, lesen auch nicht. Was las er denn überhaupt? Nur Berichte, Protokolle, Polizei-Zeitschriften …
    Ein Gefühl der Leere breitete sich in ihm aus, Der Zustand fühlte sich an wie Hunger. Hunger nach einem Geschmack, der bisher nur in der Vorstellung existierte. Was, wenn er an Costarellis Stelle wäre? Wenn ihm nur noch ein paar Wochen blieben? Was würde er in dieser Zeit tun?
    In den letzten zwanzig Jahren war sein Lebensmittelpunkt das Verbrechen gewesen. Seine Gedanken kreisten um Morde, Verge waltigungen, Gewalt, um die Frage, ob jemand die Wahrheit sagte oder log, um vermurkste Kindheiten, nicht erwiderte Liebe, um alkoholisierte Eltern, Aggressionen,

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