Spurlos
stellen.
„Sie hat sich umgebracht “, sagte er.
In den Akten stand nichts von einem Suizid. Mrs. Hoffman war bei einem Unfall gestorben, hatte es geheißen. Warum log er sie an?
„Das tut mir leid, Todd …“
„Ist schon lange her.“ Sie bemerkte, wie er Luft holte. Er zuckte die Schultern, als er zu ihr herübersah. „Ich war zehn. Nicht besonders witzig für einen Jungen mit zehn.“
Tamara schwieg. Ob Selbstmord oder Unfall, was spielte das für eine Rolle? Vielleicht aber war Todd ja ein notorischer Lügner. Ein Mensch, der immer log, der gar nicht anders konnte?
„Denken Sie noch oft an sie?“, fragte sie weiter.
„ Lassen Sie uns über etwas anderes reden“, sagte er knapp.
Ihre Fragerei hatte ihn gereizt ... vielleicht auch nervös gemacht.
„Und was ist mit Ihrer Schwester?“
Er fuhr herum. „Meine Schwester?“
„ Das Zimmer da am Ende des Flurs sieht nach einem Mädchenzimmer aus.“
„Nein“, er versuchte zu lächeln . „Das ist ein Gästezimmer.“
Er kam mit den Tellern an den Tisch. „Steaks sind das Einzige, das mir beim Kochen immer gelingt.“ Er reichte ihr die Salatschüssel. Sie nahm das Besteck und steckte ein Stück Salatblatt in den Mund. Mein Gott, dachte sie, worauf habe ich mich eingelassen? Warum kann ich mir nicht eingestehen, dass Shane und alle anderen Recht haben und ich nur nach einem Grund suche, etwas gegen diesen Mann zu haben, der mir eigentlich gefällt?
„ Okay, Berufskrankheit“, sagte sie ihn anlächelnd. „Journalisten sind immer neugierig. Aber ich erzähle Ihnen auch was von mir. Ich war fünf als meine heiß geliebte Großmutter überfahren wurde. Von einem Tag auf den anderen konnte ich sie in nicht mehr in ihrem Haus besuchen, nicht mehr mit ihr in den Garten gehen … Es hieß, sie sei nicht mehr da. Und wissen Sie, was ich geglaubt habe?“ Es war noch nicht mal eine Lüge, „ich habe geglaubt, dass sie wegen mir weggegangen ist, dass sie mich nicht mehr sehen wollte.“ Sie lächelte kurz. „Komisch nicht?“
E r schnitt ein Stück Fleisch ab, dann hielt er inne.
„ Tja“, sagte sie, „Kinder beziehen alles auf sich. Und sie glauben sehr schnell, dass sie die Schuld für etwas tragen.“
Er betrachtete seine Gabel mit dem aufgespießten Stück seines Steaks.
„Tamara, warum erzählen Sie mir das alles?“
„Ich dachte, Sie wollten etwas über mich erfahren?“
Er zögerte, schien etwas erwidern zu wollen, doch dann blickte
er zum Himmel, an dem schwer die grauen Wolken hingen. Schweigend steckte er das Stück Fleisch in den Mund.
Die Sache l äuft aus dem Ruder, dachte sie. Lass dir verdammt noch mal was einfallen, Tamara!
„Ich habe übrigens Steve getroffen“, sagte sie beiläufig.
Stirnrunzelnd sah er sie an.
„Welchen Steve?“
„Den Exfreund von Patty.“
Befremdet musterte er sie. „Ich hab ihn schon seit Jahre n nicht mehr gesehen. Wieso haben Sie ihn …“
„Hat Patty den Champagner damals für Sie gekauft?“, kam sie seiner Frage zuvor.
Er schob den Teller von sich, auf dem noch gut ein Drittel des Steaks lag.
„Warum haben Sie eigentlich meine Einladung angenommen, Tamara?“ Seine blauen Augen bekamen etwas Kaltes.
Sie wollte ihre Hand vom Tisch nehmen und das Aufnahmegerät einschalten, doch im selben Moment legte er seine Hand auf ihre und hielt sie fest. Ein Schauer lief über ihren Rücken. Derselbe Schauer wie damals … Dr. Roger Saunders Gesicht tauchte vor ihr auf, obwohl es nicht die geringste Ähnlichkeit mit Todd hatte. Der nette Englischlehrer und sein Büro … Auf dem Schreibtisch spiegelten sich die Strahlen der Nachmittagssonne. „Ich hätte eventuell einen Job für Sie…“
„Wer sind Sie wirklich, Tamara? “, hörte sie Todd fragen. Sie zwang sich zu einem Lächeln..
„Ich bin von Berufs wegen neugierig.“
Er ließ ihre Hand nicht los. Erst als sie sie ein wenig bewegte, zog er seine weg. Er seufzte.
„Sie glauben, ich könnte es gewesen sein ...?“
Wie sollte sie den Blick seiner blauen Augen deuten? Angst? Unsicherheit? Um Mitleid und Verständnis bittend? War er echt oder aufgesetzt?
„Waren Sie es denn?“ Das Tonbandgerät war ihr jetzt gleichgültig. Er war jetzt genau da, wo sie ihn haben wollte …
Ein schiefes Lächeln flog über sein Gesicht.
„Sie sind schon ziemlich kaltblütig! Warum kommen Sie hierher, wenn sie so etwas für möglich halten? Allein? Fürchten Sie sich denn nicht davor, mit einem Mörder, der Frauen aufschlitzt, Steak zu
Weitere Kostenlose Bücher