Spurlos
jahrelang mit Aborigines gelebt, Mister Horkay. Sie sind mit Gleichaltrigen initiiert worden, Sie erklären ihre Gesetze und die Strafen – das alles beschreiben Sie in Ihren Büchern. “
„Ja. Ich bin von klein auf gereist. Ich war oft mit meinem Vater unterwegs. Wir haben Höhlen , Malereien und das Leben von Eingeborenen erforscht.“ In diesem Augenblick öffnete sich die Tür. Lleyton machte eine entschuldigende Geste, wurde jedoch schon von einem älteren, ihm nur bis zur Schulter reichenden Chinesen zur Seite geschoben.
„Jim Truong“, blaffte dieser mit einem kurzen Blick auf Shane und kam mit ausgestreckter Hand auf Brett Horkay zu. „Ich bin der Anwalt von Alison Griffith. Sie schickt mich, um Sie hier rauszuholen.“ Er warf eine abgewetzte Aktentasche auf den Tisch und setzte sich neben seinen Mandanten.
„ Mein Mandant muss auf keine Ihrer Fragen antworten!“ Dabei sah er Shane durch eine unmodische Metallrandbrille mit leerem Blick an. Shane wusste sofort, dass Jim Truong ein harter Knochen war und ihm sein Verhör vermiesen würde. Jim Truong, klein, Ende sechzig, mit wenigen, dafür aber langen Haaren, die kunstvoll um seinen Schädel gelegt waren. Er hatte große, vorstehende, gelbe Zähne und eine dunkle, von Altersflecken übersäte gelbliche Gesichtshaut. Er roch nach Schweiß, und sein weißes Kurzarmhemd schlotterte ihm an Hals und Oberarmen. Jim Truong sah auf seine Uhr, die von einem abgetragenen schwarzen Lederarmband fest wie von einer Fessel am Handgelenk festgehalten wurde.
„Detective, Sie sollten sich um einen Haftbefehl und eine Anklage gegen meinen Mandanten kümmern, sonst spaziere n wir nämlich in spätestens fünf Minuten hier raus“, sagte er mit scharrender Stimme.
„Sie spazieren erst mal nirgendwo hin, Mister Truong“, erwiderte Shane gelassen und wandte sich wieder Horkay zu. „Mister Horkay, haben Sie hier ein Auto? Haben Sie eines gemietet?“
„Sie müssen darauf nicht antworten, Mister Horkay. Auf gar keine Frage von diesem Detective.“ Jim Truong schüttelte den Kopf, wobei seine große Brille ein Stück die Nase herunterrutschte. Er schob sie mit dem Mittelfinger wieder nach oben.
Horkay winkte. „Meg Rowan leiht mir hin und wieder ihren Wagen, oder Alison nimmt mich mit.“
„Sie leben allein, Mister Horkay?“
„Detective“, schaltete sich Truong wieder ein. „Ich warne Sie, Ihnen bleibt nicht mehr viel Zeit, meinen Mandanten hier unter fadenscheinigen Verdächtigungen festzuhalten.“
„Mister Truong, ich kann mir in kürzester Zeit einen Haftbefehl besorgen“, entgegnete Shane, „und dann wird es wesentlich unangenehmer für Ihren Mandanten!“
In diesem Moment steckte Lleyton den Kopf zur Tür herein.
„Entschuldigung“, flüsterte er, und Shane ging zur Tür.
„Costarelli“, flüsterte Lleyton. „Er hat angerufen. Er will, dass Sie in seine Wohnung fahren und etwas ansehen. Es ist in einem Karton, unten links im Kleiderschrank.“
„Hat er gesagt, was drin ist?“
„Nein. Sie sollen ihn dann mit ins Krankenhaus bringen.“ Lleyton seufzte und hob dabei die Schultern. „Ich weiß auch nicht … aber …“
Auch wenn die Anweisung etwas mysteriös klang, Shane war sich sicher, dass Costarelli einen guten Grund dafür hatte.
„Gut .“ Er wandte sich an Truong und Horkay, die ihn beobachteten. „Wir machen jetzt eine Pause. Wir lassen Ihnen etwas zu essen bringen.“
„Nein!“, Truong schüttelte den Kopf. „Wir …“
„Ich ...“, schnitt Shane ihm das Wort ab. „Ich habe das Recht, Mister Horkay noch ein paar Stunden festzuhalten. Und das tue ich jetzt, Mister Wong.“
„ Truong“, berichtigte der Anwalt.
Shane war sich seiner billigen Beleidigung bewusst.
„Lleyton, kümmern Sie sich um das Essen.“
Auf dem Weg in die Tiefgarage bestellte er einen Wachmann hinauf zum Verhörraum.
5
„Ich muss sagen, ich war ziemlich überrascht, dass Sie mich hierher eingeladen haben.“ Tamara nippte an ihrem Glas und beobachtete Todd Hoffman. Sie standen auf der Veranda und sahen in den grauen, wolkenverhangenen Himmel. Ein leichter Wind strich durch das Gestrüpp, das irgendwann mal ein Garten gewesen sein mochte.
„ Ich dachte, es ist mal etwas anderes als sich irgendwo in der Stadt zu verabreden.“ Er atmete tief und ließ seinen Blick über den Garten wandern. „Außerdem hatte ich den Eindruck, dass Sie wieder in diese Gegend kommen wollen.“
Sie musterte ihn. Was meinte er damit? Das Klingeln ihres
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