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Spurlos

Spurlos

Titel: Spurlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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geschoben, an der kurzer Seite saßen Shane und Costarelli. An den Seiten hatten insgesamt zehn Officer Platz genommen, denen Shane bereits vorgestellt worden war.
    Costarelli hatte die Einführung übernommen und dann an Shane weitergegeben.
    „Der Mord damals hat uns zunächst an ein irgendwie geartetes religiöses Motiv denken lassen, an etwas, das mit Animismus, mit dem Glauben an eine beseelte Natur zu tun hat. Einer Gottheit werden Opfer gebracht, um ihn gnädig oder geneigt zu stimmen. Wir hatten damals einen Täter. Er bestritt, aus einem solchen religiösen oder animistischen Motiv heraus gehandelt zu haben. Heute allerdings müssen wir uns mit dem Gedanken beschäftigen, ob damals nicht der Falsche eingesperrt worden ist.“ Shane räusperte sich. „Der Verurteilte hat kurze Zeit nach seiner Inhaftierung Selbstmord begangen.“
    „Aber es könnte sich doch jetzt auch um einen Nachahmungstäter handeln.“ Shane sah zu dem jungen Kollegen hinüber, von dem der Einwand gekommen war. Er erinnerte sich sogar an den Namen: Nat Ventura, ein kleiner, schwarzhaariger, blasser junger Mann mit dunklen Augen, einer schweren Uhr am Handgelenk, und einer dicken, goldenen Halskette – er hätte Costarellis Neffe sein können.
    „Das is t durchaus möglich. Allerdings, der Mörder von Valerie Tate hat auch das Zeichen hinterlassen, das wir bei dem vorangegangenen Mord gefunden haben. Falls es sich also nicht um einen Nachahmungstäter handeln sollte, dann war er entweder damals dabei, oder er kannte McNulty und der erzählte ihm alles, oder McNulty handelte in seinem Auftrag – oder …“
    „… oder der Täter war damals nicht McNulty“, beendete Nat Ventura den Satz und schob sich einen Kaugummi in den Mund.
    „ Ja.“ Shane setzte sich. Eine kurze Weile herrschte Schweigen, jeder schien sich die Möglichkeiten, die er eben erwähnt hatte, durch den Kopf gehen zu lassen.
    „Außerdem“, fuhr Shane fort, „wurde, wie Tony Ihnen bereits mitgeteilt hat, ein an mich gerichtetes Schreiben gefunden.“ Einige der Männer nickten.
    „Das finde ich ziemlich seltsam.“, meldete sich Nat Ventura wieder zu Wort. Er strahlte etwas Provozierendes, etwas geradezu Unverschämtes aus. Shane mochte ihn nicht, aber Costarelli würde schon wissen, warum er ihn in seinem Team hatte – sicher nicht nur, weil er wie er italienische Vorfahren und eine Vorliebe für schwere Goldketten hatte.
    Nat runzelte die Stirn. „Sie sind doch normalerweise in Brisbane und Queensland tätig. Wenn Tony Sie nicht persönlich kennen würde, hätten wir erst mal rätseln müssen, wer Shane O’Connor ist.“
    Shane musste ihm Recht geben.
    „Das stimmt. Also schließen wir daraus: Er wusste, dass ich hier bin – oder er wusste, dass Tony mich kennt – oder aber, er weiß, dass Sie alle sich hier den Arsch aufreißen würden, um schleunigst herauszufinden, wer dieser Shane O’Connor ist!“
    Nat streckte die Beine aus und kaute gelangweilt seinen Kaugummi. Shane beschloss, ihn zu ignorieren. Er würde sowieso die meiste Zeit mit Costarelli zu tun haben. Dieser gab an Ian Webster weiter, einen stillen, gehemmt wirkenden, farblosen Mann, über dessen linke Gesichtshälfte sich von oben bis unten eine tiefe Narbe zog. Er las die bisherigen Ergebnisse der Untersuchungen der Spurensicherung vor, und Shane merkte sich drei Hauptpunkte. Erstens: Die am Fundort sicher gestellten Abdrücke der Schuhsohlen stammten von einem Asics Joggingschuh, Größe 9. Mit Wahrscheinlichkeit war der Täter also nicht klein – wie McNulty, sondern, über einen Meter achtzig groß, eher sogar größer.
    Zweitens: Die inneren Organe waren zwei Meter von der Leiche entfernt in einer Bodenmulde gefunden worden, über die Erde geschüttet und Steine gelegt waren.
    Drittens: An den Hand- und Fußgelenken des Opfers fanden sich Reste eines Klebers. Er stammte mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem elastischen Klebeband. Denselben Rückstand hatte man auch im Bereich des Mundes und der Lippen entdeckt. Offensichtlich war Valerie Tate in noch lebendem Zustand gefesselt und geknebelt worden.
    „Wir haben weder Kleidung noch das Klebeband gefunden“, fügte Ian Webster noch hinzu. „Wahrscheinlich hatte er einen Müllsack dabei.“
    Shane fügte einen vierten wichtigen Punkt hinzu: Der Mörder war mit dem Auto an die Stelle gefahren, hatte sein Opfer ausgeladen und dort umgebracht. Die Reifenspuren stammten von einem neuen Reifen der Marke Continental. Kein

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