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Spurlos

Spurlos

Titel: Spurlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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ihre Götter mitgenommen, und dort, wo sie ankamen, haben sie Menschenopfer gebracht, um einen Tempel zu bauen.“
    Fraser starrte ihn entsetzt an. „Ich, ich“, stammelte er, „hab’ mit dem Mord nichts …“
    „He!“, rief Braly von draußen. „Der Flieger schwenkt bereits in unsere Bucht ein. Der Detective müsste sich beeilen. Die Piloten warten nicht gern.“
    „ Braly hat recht“, sagte Fraser knapp und wandte sich zum Gehen.
    „Eins hätte ich aber doch noch gern gewusst.“ Shane hatte nicht die Absicht, sich von Bord drängen zu lassen. Die Piloten konnten sich seinetwegen ruhig ärgern. „Wo haben Sie Weihnachten vor acht Jahren verbracht, Fraser?“
    „Glauben Sie, ich bin ein Kalender?“
    „Strengen Sie sich an.“
    Fraser überlegte. „Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich bei meiner Mutter in Rockhampton.“
    „Danke. Das werden wir möglicherweise nachprüfen.“
    Fraser war rot geworden. „Glauben Sie etwa …ich hätte das getan?“
    „Wenn Sie an meiner Stelle wären, würden Sie sicher auch jede Möglichkeit in Erwägung ziehen, Mister Bowman.“

    Das Meer glitzerte in der hoch stehenden Sonne wie Quecksilber. Fraser Bowman hatte die Kontrolle über sich zurückgewonnen und nickte Shane zum Abschied zu. Shane bückte sich und stieg durch die Luke, nahm in der zweiten Reihe einen der letzten freien Plätze ein, schnallte sich an und steckte sich die Stöpsel in die Ohren. Durchs Fenster sah er im Gegenlicht Fraser aufrecht im Boot stehen, das mühelos über das spiegelnde Wasser zurück zum Schiff glitt. Dann startete die Maschine, hob ab und drehte einen weiten Bogen über die Bucht, in der das Schiff weiß wie eine Perle strahlte. Was zum Teufel sollte er von diesem Typen halten?

4
    Als das falsche Blut von der Schneide auf den Boden tropft, zittert die Erde. In seiner linken Hand zuckt der lange nackte Hals.
    Später hört e er, dass die Menschen in der Stadt ins Freie laufen. Das war erst der Anfang, aber das wussten sie noch nicht. Auch er wusste es nicht.

    Das Blindenheim lag am östlichen Stadtrand. Sie war früh aufgestanden, um nicht im Stau zu stehen, aber ihre Rechnung ging nicht auf. Sowohl die Ausfallstraßen nach Norden in Richtung Sunshine Coast als auch die zur Gold Coast im Süden waren verstopft. Nur langsam kroch die Autoschlange vorwärts. Doch Tamara ging nicht davon aus, dass der blinde Hellman vorhatte, den Tag außer Haus zu verbringen.
    Als sie endlich auf den Parkplatz des Blindenheims rollte, war es halb elf. Sie hatte fast eine halbe Stunde länger gebraucht als veranschlagt.
    Am Empfang saß ein freundlicher, älterer Herr, der sie in die zweite Etage des vierstöckigen Gebäudes schickte. Auf dem Weg zum Aufzug kamen ihr zwei Blinde entgegen. Sie unterhielt sich angeregt miteinander, ihre Augen waren irgendwohin auf den Boden gerichtet. Tamara warf einen Blick zu dem Mann am Empfang. Sie und er waren Außenstehende – Sehende – in einer Welt der Blinden. Als sie den Aufzug betrat, hatte sie das Gefühl, eine anderer Welt zu betreten – eine, in der andere Gesetze herrschten. Sie fühlte sich mulmig. Die Vorstellung nichts mehr sehen zu können versetzte sich regelrecht in Panik. Aber sie konnte jetzt nicht einfach weglaufen ....
    Auf dem Flur, an dessen beiden Enden große Fenster Licht hereinließen, d as die Welt der hier Lebenden nicht erreichte, kam ihr ein Mann entgegen, der sich an der Wand entlangtastete, und stehen blieb, als sie an ihm vorbeiging. Sie glaubte zu sehen, wie sich seine Nase kräuselte.
    Vor Zimmer 312 blieb sie stehen und klopfte.
    „Ja, bitte?“ Die Stimme klang angenehm. Sie drehte den Türknauf und trat ein.
    „Detective Tamara Thompson?“
    „Jake Hellman?“
    Der Mann, der im Licht des geöffneten Fensters auf einem Stuhl gesessen hatte, stand auf und ging mit ausgestreckter Hand auf sie zu. Er war nicht größer als sie, sein Körperbau zart, er hatte weißes, zu einem Zopf gebundenes Haar und ein von jahrelanger Sonneneinstrahlung gegerbtes Gesicht. Sie hätte ihn für einen Künstler gehalten, einen Maler, wenn er nicht diese stumpfen Augen gehabt hätte, die er nicht hinter einer dunklen Brille versteckte. Er trug ein schwarzes T-Shirt über einer schwarzen Leinenhose und keine Schuhe.
    „Es tut mir leid, ich habe mich verspätet, aber der Verkehr.“
    „Kein Problem. Ich habe im Moment nichts zu tun. Gar nichts.“ Es klang nicht bitter. Er schob ihr den zweiten Stuhl so hin, dass er schräg zu seinem

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