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Spurlos

Spurlos

Titel: Spurlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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zurückgegangen.
    Seltsam – aber seitdem fühlte sie sich entlastet.
    Entschlossen zerriss sie den Umschlag mitsamt seinem Inhalt in kleine Schnipsel und warf sie in die Tonne für den Restmüll. Sollte der Kerl doch anrufen, sie würde einfach eine Weile nicht mehr als Telefon gehen.

7
    Die Nachmittagssonne schien durch die getönten Scheiben des Büros. Tamara goss sich den Rest Kaffee ein. Er war nur noch lauwarm und schmeckte scheußlich. Sie sollte sich wieder mehr um ihre Ernährung kümmern. Sie stellte fest, dass sie zugenommen hatte. Stress macht fett, und das hastige, ungesunde Essen, das sie im Stehen hinunterschlang, auch. Dabei hatte sie es nicht so weit kommen lassen wollen. Ganz am Anfang, als sie zur Mordkommission in Brisbane gekommen war, hatte sie auf Fitness und Ernährung geachtet. Doch seit einem halben Jahr verwahrloste sie, wie sie es selbst nannte. Sie wusste, dass es nicht nur an mangelnder Disziplin lag. Eigentlich lag es am wenigsten daran. Es lag daran, dass sie allein war – und nicht mehr allein sein wollte. Sie war intelligent, attraktiv, ungebunden und sechsunddreißig. Gut, sie hatte einen anstrengenden Job, mit Wochenend- und Nachtschichten. Es passierte mindestens einmal die Woche, dass sie nachts oder früh am Morgen aus dem Bett geklingelt wurde. Sie musste Einladungen absagen oder plötzlich von einer Party verschwinden – aber, mein Gott, dachte sie, das alles ist keine Entschuldigung dafür, dass ich mich gehen lasse! Tausende haben solche Jobs!
    Sie setzte sich wieder an ihren Schreibtisch und vertiefte sich in die Bibel.
    „Nimm’ deinen Sohn, deinen einzigen, den du lieb hast, den Isaak, und bringe ihn dort auf einem der Berge, den ich dir sagen werde, als Brandopfer dar!“ So gingen sie hin.
    Da sprach Isaak zu Abraham, seinem Vater: „Mein Vater, siehe, da ist das Feuer und das Holz, wo ist denn das Lamm zum Brandopfer?“ Abraham erwiderte: „Gott wird sich das Lamm zum Brandopfer schon ersehen, mein Sohn.“
    Als sie an den Ort kamen, den Gott ihm gesagt hatte, baute Abraham den Altar, schichtete das Holz auf, band seinen Sohn und legte ihn auf den Altar, oben auf das Holz. Dann streckte Abraham seine Hand aus, nahm das Messer, um seinen Sohn zu schlachten. Da rief der Engel Jahwes vom Himmel her ihm zu und sprach: „Abraham, strecke deine Hand nicht nach dem Jungen aus und tu ihm nichts zuleide. Denn nun weiß ich, dass du Gott fürchtest und mir deinen einzigen Sohn nicht vorenthalten hast.“ Als Abraham seine Augen erhob, sah er einen Widder, der sich mit seinen Hörnern im Dickicht verfangen hatte. Abraham ging hin, nahm den Widder und brachte ihn an Stelle seines Sohnes zum Brandopfer dar.
    Diese Stelle meinte Jake Hellman. Beinahe hätte Abraham ein Menschenopfer gebracht. Er war dazu bereit gewesen, seinen eigenen Sohn, den er liebte, zu töten.
    Ihr war nicht klar, ob Hellman sich womöglich nur einen Spaß mit ihr machte. Sie wollte aufstehen und sich eine weitere Tasse Kaffee eingießen, doch noch rechtzeitig fiel ihr ein, dass er scheußlich schmeckte. Seufzend blieb sie sitzen und nahm sich McNultys Lebenslauf vor.
    Richard McNulty war am 19. April 1968 auf Bathurst Island geboren. Sie klickte auf eine Internetseite, die Bathurst Island näher beschrieb:
    Bathurst Island ist nur durch eine schmale Wasserstraße von der Nachbarinsel Melville Island getrennt. Beide zusammen werden Tiwi Islands genannt. Die Inselgruppe liegt 80 Kilometer, oder kaum zwanzig Flugminuten nördlich von Darwin in der Timor Sea.
    Sie wurde im Jahre 1644 zum ersten Mal von Europäern gesichtet, als Abel Tasman von Batavia aus vorbeisegelte.
    1818 wurde die Insel von Phillip Parker King erforscht und nach dem damaligen Britischen Staatssekretär für Krieg und Kolonien Lord Bathurst – Bathurst Island genannt. Wegen schwieriger klimatischer Bedingungen und dem Widerstand der Einwohner stellte man Siedlungsversuche bald wieder ein.
    Fast hundert Jahre später, im Jahre 1910 gründete der deutsche, aus dem Elsass stammende, Bischof und Herz Jesu Missionar Francis Xavier Gsell auf Bathurst Island eine Mission für Aborigines. Indem er die jungen Frauen aus den polygamen Ehen mit älteren Männern „herauskaufte“ und sie sich mit jungen, christlich erzogenen Männern verheiraten ließ, zerstörte er nicht nur die herrschende – und bis dahin funktionierende Gesellschaftsordnung, sondern er trug auch dazu bei, dass diese Menschen jegliche Verbindung zu ihrem Clan

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