Spurlos
Costarelli kratzte sich am Kopf und runzelte die Stirn. „ Weil man’s ihr immer eingetrichtert hat, dem Töchterchen, das nicht mit den bösen Buben spielen darf. Aber glaub’ mir Iannis, genau das törnt manche Typen ganz besonders an.“
Der Grieche seufzte. „Ist `n seltsames Gefühl, wenn’s jemanden erwischt hat, den man gekannt hat.“ Er hob die Hand zum Gruß. „Ich muss mal in die Küche – ach, und ihr seid eingeladen!“
„Iannis, das ist Bestechung!“, rief Costarelli ihm nach.
„Nein! Ihr seid die Letzten, die Reste müssen weg!“ Iannis lachte dröhnend und verschwand durch die Schwingtür, hinter der die Küche neonhell leuchtete.
Wie Shane das alles gut kannte! Die spendierten Drinks, die „kostenlosen“ Essen, die Einladungen in teure Lokale! Wie viele Kollegen waren diesen Versuchungen erlegen, dachten sich, es sei doch nichts dabei, mal ein bisschen Spaß zu haben, den sie sich mit ihrem dürftigen Gehalt sonst nicht leisten konnten. Sie hatten ein paar Mal Spaß – und dann kamen die kleinen Gefälligkeiten, um die man sie bat: hier mal einen Strafzettel unter den Tisch fallen lassen, da mal eine Alkoholprobe verschwinden zu lassen – hier ein Alibi zu „frisieren“, dort eine Aussage nicht so genau zu überprüfen. Schon saßen sie in der Falle, schon waren sie erpressbar.
Er hatte sich raus gehalten, so gut es ging. Auf den einen oder anderen Informanten konnte er allerdings auch nicht verzichten, und einen Informanten musste man hin und wieder belohnen – so lief das nun mal.
Shane betrachtete sein Gegenüber und fragte sich, welche Deals er machte, um informiert zu sein.
Costarelli griff nach einem Teller mit einem frittierten Krabbenbällchen.
„Was ist mit diesem Burlington ... dem Typen, der unter dem Namen Valerie angerufen hat“, begann Shane, „gibt’s neues?“
Costarelli schüttelte den Kopf. „Nada.“
Shane stellte eine leere Schüssel auf den Stapel. „Wie hat Valerie ihren Mörder wohl kennengelernt?“
„ In den Pubs hat sich niemand an sie erinnert. Sie muss ihn auf dem Weg zu ihrem Auto getroffen haben – oder aber sie hat ihr Auto absichtlich da stehen lassen, weil sie noch eine Verabredung hatte oder noch etwas erledigen wollte. Aber davon wissen wir noch nichts.“ Er hatte bereits einen neuen Teller vor sich stehen und spießte etwas Großes, Unförmiges auf und steckte es in den Mund.
„Okay , Valerie Tate war verdammt ehrgeizig“, fuhr Shane fort.
„Allerdings!“, sagte Costarelli mit vollem Mund. „Moment! Wieso haben die mir noch nicht den Halter des Porsche genannt?“
Er griff an seine Gürteltasche, um sich zu vergewissern, dass er sein Handy dabei hatte. „Die machen wohl gerade Mittag! Ich mach’ denen gleich Beine!“ Schon zog er sein Handy heraus.
„Warte noch! Tony, ich frage mich: Wenn du ehrgeizig bist, womit kann man dich am besten kriegen?“
„Mit dem Versprechen, etwas zu bekommen, um einen Vorsprung …“ Costarelli brach ab. „Meinst du, jemand hat ihr einen besseren Job angeboten?“
„Möglich. Oder eine besondere Information zu einem Fall.“
Costarelli kniff die Augen zusammen und schob d as Kinn vor. Er dachte nach, wischte sich den Mund mit der Papierserviette ab, knüllte sie zusammen und warf sie auf den Geschirrstapel. „Okay, Shane: Ich lass mir von Alex Winger die schwebenden Verfahren zeigen. Dann knöpfen wir uns die entsprechenden Leute vor. Aber zuerst“, er tippte auf eine Taste seines Handys, „will ich wissen, wem der verdammte Porsche gehört.“ Er blaffte ins Telefon, klappte es zu und stöhnte. „Fragst du dich auch manchmal, wie die das ohne dich schaffen sollen?“
„Ja. Und mein Vater und all die vor uns pensionierten Detectives haben sich diese Frage auch gestellt!“
Als sie aufstanden , ließen sie zwei hohe Stapel leerer Teller zurück, und Costarelli, der darauf bestand, Shane einzuladen, legte dreißig Dollar auf den Tresen – bestimmt nur ein Bruchteil von der regulären Rechnung.
Draußen fiel die schwüle Hitze über sie her. Eine kleine Gruppe junger Backpacker mit Wanderstiefeln und schwerem Gepäck ging vorbei. Sie unterhielten sich angeregt in einer fremden Sprache. Costarelli zündete sich eine Zigarette an und sah ihnen nach. Shane bemerkte einen wehmütigen Ausdruck in seinen Augen, Doch schnell hatte sich Costarelli losgerissen und ließ mit der Fernbedienung die Türöffner des Wagens aufspringen.
„He, Shane ...“ Costarelli sprach ihn
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