Spurlos
gestritten. Aber ich vermisse den alten Miesepeter. Und ich kann mir schwer vorstellen, was er den ganzen Tag ohne seinen Job macht.“
„Davor hat er immer Angst gehabt. Plötzlich ohne seinen Job zu sein.“
„Er hätte sich nach Jacks Tod eine Auszeit gönnen und sich erholen sollen.“
„Vielleicht hätte er ja dann beschlossen, nicht mehr weiterzumachen, wer weiß. He, Tamara? Warum denken wir nicht mal positiv, hm? Sein neues Leben wird ihm gut tun.“
„Versuchen wir’s“, sagte sie halbherzig.
Er stand auf. „Wenn du Hilfe brauchst, dann sag’ Bescheid.“
„Danke. Ach, Tom? Ich denke schon die ganze Zeit darüber nach: Wenn es McNulty nicht war, warum hat er sich dann aus der Bibel die Anleitungen zu Opferungen vorlesen lassen?“
McGregor ließ den Türknauf los „Du willst nicht wahrhaben, dass McNulty unschuldig sein könnte, ja?“
„Tom, wir wissen bis heute nicht, mit wem diese Patty Champagner trinken wollte. Ist doch seltsam. Ihr Liebhaber meldet sich nicht. Und warum nicht?“
„Er könnte Angst gehabt haben, dass er verdächtig t wird.“
„Oder weil sie zu zweit waren. McNulty und …“
Tom schüttelte den Kopf. „Glaubst du wirklich, McNulty hätte dann allein die Schuld auf sich genommen? Nein, glaub’ mir, Tamara. Du kanntest ihn nicht. Er war ein … ein durch und durch niederträchtiger Kerl. Er hätte jeden verraten.“
„Und warum hat er dann so schnell aufgegeben?“
„Es gab einfach keinen Ausweg mehr für ihn. Nein, Tamara, damals war es McNulty und in Darwin hat ihn jemand kopiert. Die Einzelheiten standen ja damals in allen Zeitungen.“
„Aber das Zeichen war nicht exakt wiedergegeben, Tom.“
„Es gab Journalisten, Anwälte, Polizisten, sie alle wussten wie es aussieht. Shane hat sich in was verrannt. Du solltest versuchen, ihn davon zu überzeugen.“
Als er die Tür hinter sich schloss, starrte sie dumpf auf die weiße Wand zwischen Kaffeemaschine und Fotokalender. Anwälte, Polizisten … Tony Costarelli – tauchte wieder vor ihr auf. Wieder lief ein Film vor ihr ab: Die Fortbildung in Sydney. Der letzte Abend – sie war beschwippst, ihr Adrenalin, das sich während des anstrengenden Wochenendes in ihrem Körper aufgestaut hatte, brauchte ein Ventil. Da kam er, Tony Costarelli, strotzend vor sexueller Energie. Sein pockennarbiges Gesicht störte sie nicht, im Gegenteil, es versprach genau das, wonach sie sich in dem Moment sehnte: unsentimentalen, harten Sex. Er kam in ihr Hotelzimmer. Sie hatten Sex. Eine ganze Nacht lang. Niemals zuvor und niemals danach hatte sie sich so gehen lassen. Er war noch vor Morgengrauen aufgestanden. Und sie war froh darüber. Sie schämte sich für ihre Zügellosigkeit ... Und prompt dachte sie an Todd Hoffman. Mein Gott, Tamara, dachte sie und starrte auf ihr Handy, das vor ihr auf dem Schreibtisch lag. Sollte sie ihn anrufen? Sie zuckte zusammen, als ihr Handy in diesem Moment klingelte.
„Tamara ... Schätzchen“, flötete ihre Mutter, und Tamara unterdrückte ein Aufstöhnen, „hör’ mal, dieser Techniker hat unseren Fernseher abgeholt und gerade angerufen – er ist nicht mehr zu reparieren, also, stell’ dir das vor! Daddy ist schrecklich wütend. Immerhin haben wir ihn erst vor fünf Jahren gekauft!“
„Mum!“ Sie versuchte den Redefluss ihrer Mutter zu unterbrechen, doch die hörte sie gar nicht hin.
„Das ist diese verfluchte Billigware von den Schlitzaugen!, ruft Daddy gerade“, fuhr sie fort, „und er meint, ob du uns einen neuen besorgen könntest?“
„Mum, ich …“ Weiter kam sie nicht.
„Also nur besorgen, nicht bezahlen! Wir haben doch von diesem ganzen technischen Zeug keine Ahnung mehr, die können uns Alten ja alles andrehen …“
„Mum, ich hab’ die nächsten Tage absolut keine Zeit!“
„Aber Schätzchen, für deine Eltern könntest du doch mal eine Stunde …“
„Das ist nicht in einer Stunde getan! Warum lasst ihr euch nicht einen von dem Techniker besorgen?“
„Da solltest du Daddy mal hören! Der Techniker kauft doch nur Sachen, die wieder kaputtgehen – und und zwar nach Ablauf der Garantie, damit er wieder was verdient! Nein, Schätzchen, das ist wirklich keine gute Idee!“
In Tamara begann es zu kochen.
„Mum, ich hab’ hier einen Mord …“
„Das hast du immer, aber der Tote ist doch schon tot, oder? Wenn du Ärztin wärst, dann…“
Sie konnte nicht fassen, was ihre Mutter da gerade sagte.
„Mum, behaltet einfach meinen
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