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Sputnik Sweetheart

Sputnik Sweetheart

Titel: Sputnik Sweetheart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Sache zu ergründen.
    Sumire stand in der Tür zu ihrer neuen Wohnung und winkte mir nach, etwas, das sie nur selten tat. Und wie so viele schöne Hoffnungen in meinem Leben erfüllte sich das verheißene Abendessen nie. Anfang August erhielt ich einen langen Brief von Sumire.

6
    Auf dem Umschlag klebten große, bunte italienische Briefmarken. Der Poststempel sagte mir zwar, dass der Brief in Rom aufgegeben worden war, aber nicht wann. An dem Tag, an dem er eintraf, war ich zum ersten Mal seit längerem wieder in Shinjuku gewesen, hatte bei Kinokuniya ein paar Bücher gekauft und mir einen Film von Luc Besson angesehen. Danach hatte ich mir in einem Bierlokal eine Sardellen-Pizza und einen Krug dunkles Bier gegönnt. Noch vor dem Berufsverkehr stieg ich in die Chuo-Linie und las während der Fahrt in den Büchern, die ich gerade gekauft hatte. Ich hatte vor, mir ein einfaches Abendessen zu machen und ein Fußballspiel im Fernsehen anzuschauen. Die ideale Art, einen Tag in den Sommerferien zu verbringen. Heiß, allein und frei, ohne dass man jemanden stört und ohne dass man gestört wird.
    Als ich nach Hause kam, lag der Brief im Briefkasten. Obwohl kein Absender darauf stand, erkannte ich an der Handschrift sofort, dass er von Sumire war. Bildhafte, dicke, starre und unerbittliche Zeichen, die mich an die Käfer erinnerten, die man in den ägyptischen Pyramiden gefunden hat. Als würden sie ins Dunkel der Geschichte zurückkriechen. Sumire war in Rom?
     
    Als Erstes räumte ich die Sachen, die ich auf dem Heimweg im Supermarkt eingekauft hatte, in den Kühlschrank und goss mir ein großes Glas Eistee ein. Dann setzte ich mich auf einen Küchenstuhl, öffnete den Brief mit einem Obstmesser und las. Es waren fünf eng mit blauer Tinte beschriebene Briefbögen eines »Hotel Excelsior«. Es musste ziemlich lange gedauert haben, so viel zu schreiben. In einer Ecke der letzten Seite war ein Fleck (Kaffee?).
     
    Wie geht es Dir?
    Wahrscheinlich überrascht es Dich, plötzlich einen Brief aus Rom von mir zu bekommen. Andererseits bist Du ja immer so ungerührt, dass Dich vielleicht auch ein Brief aus Rom nicht überrascht. Dazu ist Rom zu touristisch. Er müsste schon aus Grönland, Timbuktu oder von der Magellan-Straße kommen. Obwohl ich selber ganz schön erstaunt bin, in Rom zu sein.
    Jedenfalls tut es mir leid, dass ich mein Versprechen, Dich zum Abendessen einzuladen, vorerst nicht halten kann, wo Du mir doch so beim Umzug geholfen hast. Meine Europareise hat sich kurz nach dem Umzug ergeben. Ein paar Tage herrschte die totale Hektik – Pass beantragen, Koffer kaufen, angefangene Arbeiten erledigen. Du weißt ja, dass ich mir nicht gut etwas merken kann, aber zumindest bemühe ich mich, meine Versprechen zu halten. Also entschuldige nochmals.
    In meiner neuen Wohnung fühle ich mich sehr wohl. Ein Umzug ist lästig (obwohl Du natürlich den Löwenanteil der Arbeit erledigt hast, dafür danke ich Dir), aber wenn alles fertig ist, ist es richtig schön. Es gibt zwar keine Hähne wie in Kichijoji, dafür aber viele Krähen, die die ganze Zeit rumkrächzen wie alte Omas. Im Morgengrauen strömen sie von überall her im Yoyogi-Park zusammen und kreischen, als stünde der Weltuntergang bevor. Einen Wecker brauche ich also nicht. Daher führe ich nun genau wie Du ein Leben wie auf dem Bauernhof – früh auf und früh zu Bett. Irgendwie verstehe ich jetzt, wie es ist, um halb vier Uhr morgens vom Telefon geweckt zu werden. Aber nur ›irgendwie‹.
    Ich schreibe diesen Brief in einem Straßencafé, während ich einen Espresso trinke, der dick ist wie Teufelsschweiß, und das sonderbare Gefühl habe, nicht ganz ich selbst zu sein. Ich kann‘s nicht gut erklären, aber es ist ungefähr so, als ob mich jemand aus dem Tiefschlaf gerissen hätte, ich vor Schreck in alle meine Bestandteile zerfallen wäre und die Person mich in aller Eile wieder zusammengesetzt hätte. So ein Gefühl habe ich. Kannst Du das verstehen?
    Natürlich bin ich immer noch ich, aber etwas fühlt sich anders an als sonst. Andererseits erinnere ich mich nicht, wie ich »sonst« war. Seit ich aus dem Flugzeug gestiegen bin, habe ich dieses sehr reale, aber doch abstrakte Ge fühl, mich in einer Illusion zu bewegen.
    Wenn ich mich frage, warum ich ausgerechnet in Rom gelandet bin, wird die ganze Umgebung noch unwirklicher. Natürlich kann ich die einzelnen Gründe aufzählen, aus denen ich hier bin, aber im Grunde meines Herzens bin ich nicht davon

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