Sputnik Sweetheart
Lust dazu. Nach der vielen Arbeit braucht sie etwas Erholung und Zeit, sich zu ent spannen. Stell Dir uns beide an einem strahlend weißen Strand an der Ägäis vor, wie wir unsere hübschen Brüste der Sonne entgegenrecken, harzigen Wein trinken und den ziehenden Wolken nachschauen. Findest Du das nicht herrlich?
Ausgesprochen herrlich.
An diesem Nachmittag ging ich ins Stadtbad und schwamm, bis ich nicht mehr konnte. Auf dem Heimweg setzte ich mich in ein gut klimatisiertes Café, um ein Stündchen zu lesen. Als ich wieder zu Hause war, hörte ich mir eine alte Platte von Ten Years After an und bügelte dabei drei Hemden. Danach trank ich einen billigen Weißwein aus dem Sonderangebot, den ich mit Perrier verdünnte, und sah mir ein Fußballspiel an, das ich auf Video aufgenommen hatte. Aufstöhnend schüttelte ich über jeden Pass den Kopf und dachte, dass ich es auf alle Fälle besser gemacht hätte. Wie einfach es doch ist, die Fehler von anderen zu kritisieren – und wie viel Spaß man dabei haben kann.
Nach dem Spiel ließ ich mich in einen Sessel fallen, starrte zur Decke und stellte mir Sumire in einem französischen Dorf vor. Aber wahrscheinlich war sie inzwischen schon auf der griechischen Insel, lag am Strand und schaute den weißen Wolken nach. In jedem Fall war sie sehr weit weg, ganz egal ob in Rom, Griechenland, Timbuktu oder Aruanda. Unendlich weit weg. Und vielleicht würde sie sich nun immer weiter von mir entfernen. Allein dieser Gedanke machte mich kreuzunglücklich. Ich kam mir vor wie ein unscheinbares Insekt, das in einer stürmischen Nacht ohne Grund und ohne Zuversicht versucht, eine hohe Mauer hinaufzukrabbeln. Sumire behauptete, sie vermisse mich, wenn wir voneinander getrennt waren. Aber sie hatte Miu. Ich hatte niemanden. Nur mich selbst. Wie immer.
Sumire kam nicht am 15. August zurück. Auf ihrem Anrufbeantworter ertönte nur die lieblose Nachricht »Ich bin zurzeit verreist«. Das Telefon mit Anrufbeantworter hatte sie sich sofort nach ihrem Umzug zugelegt, damit sie nicht mehr nachts bei Regen mit dem Schirm zum Telefonhäuschen wandern musste. Ziemlich gute Idee. Ich hinterließ keine Nachricht.
Am 18. rief ich wieder an. Immer noch »Ich bin zurzeit verreist«. Nach dem kurzen Signalton sagte ich meinen Namen und »Ruf mich an, wenn du zurück bist«. Aber sie rief nicht an. Wahrscheinlich fühlten sich Sumire und Miu auf ihrer griechischen Insel so wohl, dass sie keine Lust verspürten, je wieder nach Japan zurückzukehren.
Zwischen meinen Anrufen beaufsichtigte ich einmal das Fußballtraining an meiner Schule und schlief einmal mit meiner Geliebten. Sie war gerade von einem Urlaub auf Bali mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern zurück und deshalb schön braun. Natürlich musste ich sofort an Sumire in Griechenland denken. Nicht einmal, als ich in ihr war, konnte ich das Bild von Sumire aus meinem Kopf verscheuchen. Wäre Sumire nicht gewesen, hätte ich mich in diese sieben Jahre ältere Frau, deren Sohn mein Schüler war, vielleicht sogar verliebt, wäre mit der Zeit sogar verrückt nach ihr gewesen. Sie war schön, vital und zärtlich. Für meinen Geschmack schminkte sie sich etwas zu stark, aber dafür kleidete sie sich sehr elegant. Sie selbst fand sich zu dick, aber das stimmte nicht. An ihrem Körper gab es nicht das Geringste auszusetzen. Sie wusste genau, was ich wollte und was ich nicht wollte. Sie spürte, wie weit sie gehen sollte und wann es genug war – im Bett und auch sonst. Sie gab mir das Gefühl, erster Klasse zu fliegen.
»Ich habe mit meinem Mann seit fast einem Jahr nicht mehr geschlafen«, eröffnete sie mir, als sie in meinen Armen lag. »Du bist der einzige.«
Trotz allem konnte ich sie nicht lieben, denn die natürliche, fast bedingungslose Intimität, die mich mit Sumire verband, wollte sich zwischen uns nicht einstellen. Wie ein dünner, durchsichtiger Schleier schwebte stets eine gewisse Befangenheit zwischen uns, die uns mal mehr, mal weniger deutlich trennte. So wussten wir – zumal beim Abschied – auch nie so recht, was wir zueinander sagen sollten. Das hatte es zwischen mir und Sumire nie gegeben. Die Rendezvous mit meiner Geliebten bestätigten mir stets aufs Neue die unverrückbare Tatsache, dass ich Sumire brauchte.
Nachdem meine Freundin gegangen war, machte ich einen Spaziergang. Eine Weile schlenderte ich ziellos durch die Straßen, dann ging ich in der Nähe des Bahnhofs in eine Bar und bestellte einen
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