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Sputnik Sweetheart

Sputnik Sweetheart

Titel: Sputnik Sweetheart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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vielen Menschen, durch die er gegangen war. Im gleißenden Sonnenlicht wirkte er schäbig, schmierig und borniert. Verwirrt und ohne es wirklich zu wollen, ließ ich den Schlüssel in den Bach fallen. Das Wasser war nicht besonders tief, aber weil es so trüb war, verschwand der Schlüssel augenblicklich. Rübe und ich standen noch einen Moment auf der Brücke und starrten ins Wasser. Ohne den Schlüssel fühlte ich mich ein bisschen leichter.
    »Wir hätten ihn jetzt sowieso nicht mehr zurückgeben können«, sagte ich mehr zu mir selbst. »Bestimmt haben sie irgendwo noch einen Ersatzschlüssel. Schließlich handelt es sich um einen wichtigen Lagerraum.«
    Als ich meine Hand ausstreckte, griff Rübe schüchtern danach. Wie klein und schmal seine Hand doch war. Es war ein Gefühl, das ich von ganz früher kannte – woher nur? Er ließ meine Hand nicht los, bevor wir bei ihm zu Hause waren.
     
    Seine Mutter wartete schon auf uns. Sie hatte sich umgezogen und trug nun eine adrette, ärmellose weiße Bluse und einen Faltenrock. Ihre Augen waren rot und geschwollen. Vermutlich hatte sie die ganze Zeit geweint. Ihr Mann besaß eine Immobilienfirma in der Stadt. Sonntags arbeitete er zumeist oder spielte Golf. Nachdem sie Rübe auf sein Zimmer im ersten Stock geschickt hatte, setzten wir uns nicht ins Wohnzimmer, sondern an den Küchentisch. Vielleicht fiel ihr dort das Reden leichter. In der Küche gab es einen riesigen avocadogrünen Kühlschrank und eine Kochinsel in der Mitte. Das große, helle Fenster zeigte nach Osten.
     
    »Immerhin sieht er schon etwas besser aus«, sagte sie leise. »Vorhin bei dem Wachmann wusste ich überhaupt nicht, was ich tun sollte. So einen Blick habe ich bei meinem Sohn noch nie gesehen. Als wäre er in einer anderen Welt.«
    »Mach dir keine Sorgen. Das gibt sich mit der Zeit. Ich glaube, es ist besser, erst mal eine Weile nicht mit ihm über die Sache zu sprechen.«
    »Was habt ihr beide gemacht?«
    »Uns unterhalten«, sagte ich.
    »Worüber?«
    »Nichts Bestimmtes. Die meiste Zeit habe ich geredet. Einfach nur so.«
    »Möchtest du etwas Kaltes trinken?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Ich weiß nicht mehr, was ich mit dem Kind reden soll. Und es wird immer schlimmer«, sagte sie.
    »Du brauchst nicht dauernd mit ihm zu reden. Kinder leben in ihrer eigenen Welt. Wenn sie reden wollen, reden sie schon.«
    »Aber er spricht überhaupt nicht.«
    Wir saßen uns am Küchentisch gegenüber und achteten darauf, einander nicht zu berühren. Eine ganz normale Szene: Ein Lehrer und eine Mutter, die sich über die Probleme eines Schulkindes unterhalten. Beim Sprechen verschränkte sie nervös ihre Finger, zog an ihnen und drückte sie. Ich musste daran denken, was diese Finger im Bett mit mir gemacht hatten.
    Ich würde in der Schule keine Meldung erstatten, sondern mit dem Jungen reden und mich im Unterricht mehr um ihn kümmern. Sie solle sich keine Sorgen machen. Der Junge sei intelligent und im Grunde in Ordnung. Mit der Zeit würde er schon auf den richtigen Weg kommen. Das sei nur eine Phase. Das Wichtigste sei, dass sie sich beruhigte. In diesem Stil redete ich auf sie ein, bis ich sie überzeugt hatte. Danach schien sie sich ein bisschen sicherer zu fühlen.
    Sie bot mir an, mich mit dem Wagen in meine Wohnung nach Kunitachi zurückzufahren.
     
    »Meinst du, der Junge hat etwas gemerkt?« fragte sie mich, als wir an einer Ampel warteten. Sie sprach natürlich von dem, was zwischen uns war.
    Ich schüttelte den Kopf. »Wie kommst du darauf?«
    »Als ich vorhin allein zu Hause auf euch gewartet habe, hatte ich plötzlich so eine Ahnung. Ohne einen bestimmten Grund. Er ist ein sehr sensibler Junge und spürt sicher, dass mein Mann und ich nicht gut miteinander auskommen.«
    Ich schwieg, und sie sagte nichts mehr darüber.
     
    Sie fuhr auf den Parkplatz, der zwei Straßen von meinem Haus entfernt lag, zog die Handbremse an und stellte den Motor ab. Als der Motor und das Rauschen der Klimaanlage verstummt waren, breitete sich im Wagen eine ungemütliche Stille aus. Ich wusste, sie wollte, dass ich sie jetzt in die Arme nahm. Als ich mir ihren glatten Körper unter der Bluse vorstellte, wurde mein Mund ganz trocken.
    »Ich fände es besser, wenn wir uns nicht mehr treffen würden«, sagte ich ohne Umschweife.
    Sie antwortete nicht. Die Hände auf dem Lenkrad, starrte sie auf den Ölanzeiger. Ihr Gesicht war fast ausdruckslos.
    »Ich habe gründlich darüber nachgedacht«, sagte ich. »Ich

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