ST - Die Welten von DS9 4: Bayor - Fragmente und Omen
Leute bewies, dass er nicht tot sein konnte … Es sei denn, der Tod war anders als ihn der Glaube beschrieb. Für Bajoraner war das Leben nach dem Tod nicht von Verlust und ewigem Bedauern geprägt, Hovath wusste aber von der Bedeutung dieses Aspektes in der menschlichen Mythologie. Die Menschen hatten Namen dafür, und er kannte einen:
Hölle
.
»Ke Hovath«, sagte eine zweite Stimme, sanfter als die erste, weiblich. Aber nicht seine Frau.
Iniri!
Dann packte ihn ein neuer Schrecken: Sie kannten seinen Namen! Propheten helft, sie kannten seinen Namen! Sie hatten alle getötet, seine Freunde und Nachbarn, seine Familie, sie hatten das Dorf niedergebrannt – aber ihn entführt, ihn leben lassen. Weil sie ihn
wollten
!
»Warum?«, fand Hovath die Kraft zu fragen, bevor ihn ein neuer Hustenanfall schüttelte.
»Lass ihn trinken«, sagte die Frau. Eine Sekunde später war ein Halm an seinen Lippen. Kühles Wasser floss über seine trockene, ledrige Zunge, brachte Erleichterung von dem erstickenden Geschmack der Asche. Er trank nun gieriger und wurde sich zweier Gestalten bewusst, die rechts und links von ihm standen.
»Das genügt«, sagte die Stimme, und der Halm verschwand.
Hovath sah auf, kniff die Augen zusammen und versuchte, den Sprechenden trotz des Gleißens zu erkennen. Doch er sah nur einen dunklen Schemen am anderen Ende des Tisches. »Was wollt ihr von mir?«
»Dasselbe wie du«, antwortete sein Entführer. »Antworten.«
»Ich werde euch nicht helfen.«
»Das denke ich schon.« Die Gestalt schien sich einem ihrer Gehilfen zuzuwenden. »Zeigt es ihm.«
Der Untergebene zu seiner Rechten – Hovath glaubte fast, es handele sich um einen Nausicaaner, konnte aber nicht sicher sein – trat zur nächsten Wand, wo ein Monitor eingelassen war. Er aktivierte ihn, und Hovaths Herz schlug schneller.
Iniri lebte. Sie kauerte in der Ecke eines kleinen Zimmers, ihr rotblondes Haar zerzaust, ihre Kleidung versengt. Sie hielt die Arme um den Leib geschlungen und schien zu weinen. Man hatte sie geschlagen, das sah er, und der Moment der Erleichterung verwandelte sich in Zorn.
Dann erkannte er ihre Umgebung und erblasste. Eine Luftschleuse.
»Wie du sehen kannst, ist deine Frau am Leben – für den Moment«, sagte die Frau. »Wenn du willst, dass das so bleibt, brauche ich deine volle Kooperation.«
»Bitte«, stöhnte Hovath. »Lasst sie gehen.«
»Nein. Erst wenn du mir gibst, was ich brauche. Andernfalls stirbt Iniri.«
Hovath schloss die Augen und ballte die auf dem Tisch ruhenden Hände zu Fäusten. Sein Verstand suchte nach einem Ausweg aus dem Albtraum, seine Zähne bohrten sich in die Unterlippe, bis er wieder Blut schmeckte.
»Wie kann ich euch denn schon helfen? Ich bin niemand.«
»Oh, dem ist wohl kaum so«, sagte die Frau. »Bis zum heutigen Morgen warst du der
Sirah
des Dorfes Sidau. Aber das ist nicht alles, oder, Hovath? Du hast zudem die Hälfte eines jeden der vergangenen sechs Jahre als Student der Musilla Universität verbracht, wo du dich Studien gewidmet, die man bei jemandem deiner Herkunft nur atypisch nennen kann, und eine recht bemerkenswerte Abhandlung veröffentlicht hast.«
Vom anderen Tischende rutschte etwas auf ihn zu. Seine Finger stoppten es. Ein Padd, aber ein solches hatte er noch nie gesehen. Auf dem kleinen Display prangte der Titel
Spekulationen über die Architektur des Himmlischen Tempels
.
Darunter folgte sein Name.
»Ich bin mit deiner Arbeit inzwischen äußerst vertraut«, sagte sein Entführer.
Tränen flossen aus Hovaths Augen, als er begriff, warum all dies geschah.
Hovath war stets ein ruheloser Geist gewesen. Vermutlich hatte ihn der alte
Sirah
vor seinem Tod vor sieben Jahren genau deshalb so gedrängt. Hovath hatte gepatzt, als er das erste Mal versuchte, den
Dal’Rok
zu beherrschen. Der alte
Sirah
hatte daraufhin Hovaths
Pagh
gefühlt und erkannt, woran es ihm mangelte. Mithilfe zweier Menschen von der Raumstation hatte er eine Lektion vorbereitet, mittels derer Hovath lernte, sich vollends der Aufgabe zu verschreiben, für die er sein Lebtag ausgebildet worden war.
Als neuer
Sirah
diente Hovath seinem Volk gut. Doch die Dörfler brauchten seine Dienste als Geschichtenerzähler nur an fünf Tagen des Jahres. Die restliche Zeit war er schlicht ein Gelehrter, manchmal ein spiritueller Führer. Hovath beherrschte seine Rollen, doch sein Geist blieb ruhelos, dürstete nach Wissen, für das es im Dorf keinen Platz gab. Ein Jahr nachdem er
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