ST - Die Welten von DS9 6: Das Dominion - Fall Der Götter
sich offenkundig nur noch ungenau seiner Zeit auf Deep Space 9, und manche Teile seiner Erinnerungen waren inzwischen überholt.
»Willst du mich angreifen?«, fragte er, und obwohl die Stimme der von Nerys ähnelte, fehlte ihr der richtige Tonfall. »Wie einförmig von dir.«
Odo ging nicht auf die Provokation ein. »Warum machst du das?«, fragte er. »Was soll dieses Verhalten? Ich bin nicht dein Feind.« Es war unangenehm, mit einer Nachbildung der Frau zu sprechen, die er liebte. Odo entsann sich eines Moments, in dem die Anführerin der Wechselbälger zu einer ähnlichen Maskerade gegriffen hatte. Damals war die Kopie aber so gut gelungen, dass er sie nicht erkannt hatte. Nun konzentrierte er sich jedoch auf die Unstimmigkeiten, die diese Nerys-Fälschung von der echten unterschieden.
»Momentan betrachte ich die gesamte Große Verbindung als Feind der Hundert«, verkündete Laas. Er deutete auf den toten Wechselbalg. »Er war orientierungslos, jahrhundertelang allein. Dann fanden ihn Humanoide, experimentierten an ihm herum und töteten ihn schließlich in einem Anfall von Paranoia.« Nun wanderte sein Finger, tippte gegen die Brust der Nerys-Imitation. »Ich selbst lebte zweihundert Jahre unter Einförmigen, als Gequälter, Elender. Und die Geschichte der anderen zwei ist ganz ähnlich.« Er deutete zu den Seiten der Insel, meinte offenkundig die zwei Wechselbälger, die er mitgebracht hatte, die inzwischen aber bereits in die Große Verbindung geglitten waren. »Und wofür?«, schloss er in einem Ton, der keinerlei Antwort bedurfte.
Odo gab ihm trotzdem eine. »Für Wissen«, sagte er schlicht, zitierte einmal mehr die Begründung, die man ihm für die Hundert gegeben hatte. Doch wie Laas konnte auch er sie nicht länger glauben. Warum hatte er sie nicht schon viel früher hinterfragt?
»Wie kannst du das sagen?«, hakte Laas scharf nach. Die Erwiderung weckte Erinnerungen in Odo, brachte ihn zurück nach Deep Space 9 und in eine Zeit, in der das Dominion die Station besetzt hielt. Odo hatte sich damals mit Nerys, Jake und Rom verschworen, um den Plan der Cardassianer zu vereiteln, das den Alpha-Eingang zum Wurmloch blockierende Föderationsminenfeld zu vernichten. Die Minen hatten einen wichtigen Zweck erfüllt, hielten sie das Dominion doch davon ab, Verstärkung in den Krieg zu entsenden. Doch statt zu tun, was er versprochen hatte, hatte sich Odo mit der Anführerin der Wechselbälger vereinigt. Dadurch war Roms Sabotageversuch aufgeflogen, und Rom verhaftet und zum Tod verurteilt worden. Nerys hatte verständlicherweise eine Rechtfertigung von Odo verlangt, und als er ihr erklärte, er habe sich mit der Gründerin verbunden und der Krieg eigentlich gar nichts mit ihm zu tun, hatte sie ihn dasselbe gefragt, was auch Laas gerade – mit ihrer Stimme, ihrem Gesicht – wissen wollte:
Wie kannst du das sagen?
»Ich weiß es nicht«, gestand Odo ihm nun. »So hat man es mir erzählt. Ich hatte keinen Grund, dem zu misstrauen.«
»Siehst du denn nicht«, fragte Laas, »dass wir
Unmengen
von Gründen haben?«
»Mag sein«, gab Odo nach, »aber
ich
habe dich nie belogen. Du musst nicht gegen mich kämpfen.«
Laas trat vor und sah mit Nerys’ Augen zu ihm auf. »Du hast dich selbst belogen, Odo«, sagte er. »Und dadurch auch mich.« Er drehte sich um, hielt auf das Ufer der Insel zu. »Die Gründer haben uns beide belogen«, rief er über die Schulter.
Odo sah ihm nach, als er von der felsigen Landmasse in die goldene Verbindung überging. Laas gab seine Form allerdings nicht sofort auf, sondern schritt über die Ansammlung der Formwandler hinweg. »Was hast du vor?«, rief Odo ihm nach.
Laas blieb stehen und sah zu ihm zurück. »Ich werde die Wahrheit erfahren«, erwiderte er. Dann sank seine Gestalt – Nerys’ Gestalt – in die lebende Masse hinab, vereinigte sich mit ihr. Sekunden später gab es nur noch die Große Verbindung.
Trauer stieg in Odo auf … nicht wegen Laas, sondern Nerys. Die Trauer berührte ihn auf tiefere, intimere Weise als die um den verstorbenen Formwandler. Als das Faksimile seiner Nerys im glänzenden Ozean der Gründer verschwand, hatte er sich daran erinnert, wie er das Gleiche getan und sie allein auf diesem winzigen Stück Fels zurückgelassen hatte. Schon damals wusste er, dass es schwer für sie sein musste, doch er begriff erst jetzt wirklich,
wie
schwer. Der Gedanke, sie vor gar nicht langer Zeit ein weiteres Mal verlassen zu haben, erschütterte ihn.
Wie kann
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