St. Leger 01 - Der Fluch Der Feuerfrau
musste ihn sanft drängen, ihr auch davon zu berichten. »Der Junge hatte ein paar Blumen gepflückt und wollte sie seiner Mutter schenken. Aber als Cecily ihn sah, floh sie vor ihm. Anatole ließ die Blumen auf sie zu durchs Zimmer schweben, und die Mutter bekam einen Schreikrampf. Sie hat ihm eine Vase an den Kopf geworfen ...«
»Allmächtiger, daher die Narbe!«, rief die junge Frau. »Ja, die stammt aus einer Schlacht, die ein so kleiner Junge niemals sollte führen müssen. Cecily hat ihren Sohn an diesem Tag beinahe umgebracht.
Nun wurde es auch dem Rest der Familie zu bunt. Hadrian verlangte, dass Anatole ihm übergeben würde, damit er sich um ihn kümmere. Lyndon und er haben sich fast um den Jungen geprügelt.
Am Ende aber hat Lyndon sich durchgesetzt, weil er es nicht ertragen konnte, von seinem Sohn getrennt zu sein. Auch brachte er den Mut auf, bei seiner Frau durchzusetzen, dass der Knabe wieder ins Haus durfte. Diese Zeit wurde für Anatole fast noch schlimmer. Er schlich nur noch wie ein Schatten durch Castle Leger ... ständig auf der Hut, um seine Mutter nicht noch einmal zu erschrecken.
Doch mit Cecily wurde es dennoch ständig schlimmer. Sie schwankte nur noch zwischen Depressionen und Nervenzusammenbrüchen hin und her, und schließlich geschah das, was alle, bis auf Lyndon, schon seit längerem befürchtet hatten.«
»Sie starb an gebrochenem Herzen«, warf Madeline ein. »So hat Anatole es mir erzählt.«
»Nein, meine Liebe, Cecily hat sich das Leben genommen. Eines Nachts schlich sie aus ihrem Gemach, lief durch den Garten zu den Klippen und stürzte sich dort ins Meer.« Der jungen Frau lief ein Schauder über den Rücken. Sie selbst hatte die Schönheit und gefährliche Macht der See geschaut. Anatole hatte sie im Garten fest gehalten und ihr verboten, jemals auf die Klippen hinauszutreten.
Jetzt verstand sie seine Gründe dafür. »Die wahre Tragödie besteht jedoch darin, dass Anatole den Tod seiner Mutter in einer Vision vorausgesehen hat. Der arme Junge hat sich Tag und Nacht mit diesem Wissen gequält, aber sein Vater wollte ihm nicht zuhören. Lyndon glaubte nämlich, Cecily liebe ihn viel zu sehr, um ihn auf solch eine Weise zu verlassen.
Nach ihrem Ende kapselte er sich von allem ab. Vor allem von Anatole, dem er die Schuld an dem tragischen Vorfall gab.«
Fitzleger sackte sichtlich in seinem Sessel zusammen. Aber er musste nicht mehr erzählen, denn Madeline kannte den Rest der Geschichte. Während der Vater immer mehr verfiel, hatte Anatole die Verantwortung für Castle Leger auf seine viel zu jungen Schultern geladen. Sie wusste, dass sie das Gehörte so rasch nicht vergessen würde. Vor allem nicht den armen Sohn der St Legers, den sie für ihre verrückte Liebe geopfert hatten.
Auch musste der Reverend ihr nichts von der Einsamkeit und Verzweiflung berichten, die Anatoles Leben so viele Jahre lang geplagt hatten. Die hatte sie schließlich selbst an ihm gesehen, auch wenn sie erst jetzt begriff, wie die Melancholie in seine Augen gekommen war. Immer wieder war er verstoßen worden ... und eine Zurückweisung musste heute seine größte Angst sein. Madeline erkannte mit Scham und Entsetzen, dass sie ihm heute Nacht genau die zugefügt hatte. Gott im Himmel, sie benahm sich kaum besser als die geisteskranke Cecily! »Mr. Fitzleger, ich muss sofort nach Hause!«
»Nein, Madeline, wartet noch. Nach allem, was ich Euch berichtet habe, würde Eure Rückkehr nach London -«
»Nicht nach London. Heim nach Castle Leger. Ich muss mit meinem Mann sprechen.«
»Bleibt noch etwas. Erstens seid Ihr noch zu geschwächt, und zweitens würdet Ihr ihn nie finden.« Madeline musste sich eingestehen, dass der gütige kleine Mann Recht hatte. Anatole hatte sich auch früher schon irgendwo versteckt, und sie hatte bis heute nicht herausgefunden, wohin er sich dann begab. »Ihr kennt doch bestimmt sein Versteck, Mr. Fitzleger. Verratet es mir.«
»Ich würde das nicht für klug halten ... Versteht bitte, ich will nicht in erster Linie Euch schützen, sondern meinen jungen Master. Könnt Ihr mir garantieren, ihm entgegenzutreten, ohne wieder zusammenzuzucken oder erneut schreiend davonzulaufen?«
Die junge Frau versprach ihm das sofort, schwieg dann aber, als sie ihre eigenen Zweifel in seinem Blick widergespiegelt sah. Mochte der Brautsucher auch sehr viel für sie übrig haben, ihm war deutlich anzumerken, dass er kein Vertrauen mehr zu ihr hatte.
»Bleibt bitte hier, meine Liebe,
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