St. Leger 01 - Der Fluch Der Feuerfrau
stammte sogar noch aus der zwei Jahrhunderte zurückliegenden Tudor-Zeit. Dieser Raum war einer der wenigen in der Burg, der sowohl die Verwüstungen von Cromwells Truppen im Englischen Bürgerkrieg wie auch die Renovierungswut von Anatoles verstorbener Mutter relativ unbeschadet überstanden hatten.
Cecily St. Leger hatte zu Lebzeiten den Rest des Anwesens mit neuen Tapeten, Stoffen und Vergoldungen überzogen, um aus der Burg ein zivilisiertes Heim zu machen. Anatole hielt das für ein Ding der Unmöglichkeit; genauso gut könnte man versuchen, in der Hölle Engelsflügel herzustellen.
Er ließ dem Pastor gerade so viel Zeit, sich in einen der gepolsterten Sessel zu setzen.
»Was habt Ihr mir bloß angetan, alter Mann?«, fragte der Burgherr gefährlich ruhig.
»Ich verstehe nicht recht, Euer Lordschaft.« Fitzleger wagte dennoch nicht, Anatole anzusehen. »Ich habe nichts Unrechtes getan, außer Euch die perfekte Braut zu bringen.«
»Die perfekte Braut?« Madeline erschien vor seinem geistigen Auge, und schon explodierte er wütend. »Dieses zerbrechliche Porzellanpüppchen? Ein leichter Windstoß würde sie schon davonwehen, wenn sie nicht dieses unmögliche Ding von einer Perücke auf dem Kopf trüge!«
»Madeline erfüllt alle Bedingungen, die Ihr in der Liste gestellt habt.«
»Den Teufel tut sie!«, brüllte Anatole, und die Hunde hoben den Kopf; bis auf den ältesten von ihnen, Ranger, der weiterschlief, da er die Ausbrüche seines Herrn gewöhnt oder taub geworden war.
»Ich habe nichts von einer Modeschönheit gesagt, und auch nichts von flachen Brüsten. Und erst recht habe ich mir rotes Haar verbeten!« Der Burgherr riss frustriert die Arme hoch. »Die Mühe, eine Liste aufzustellen, hätte ich mir genauso gut ersparen können. Aber da Ihr ja ein studierter Mann seid, dachte ich, dass Ihr auch lesen könntet. Oder lässt Euch mittlerweile das Augenlicht im Stich?«
»Mit meinen Augen ist alles in Ordnung«, entgegnete der Gottesmann indigniert, griff in die Tasche seines Radmantels und zog Anatoles zerknitterte liste heraus. Dann setzte er sich eine Brille mit schmalen Rändern auf die Nase und begann vorzutragen: »Eine Frau von freundlichem und liebreizendem Wesen, mit der Erziehung einer Lady. Klug und lerneifrig -«
»Was?« Der Burgherr riss Fitzleger den Fetzen aus der Hand und starrte ungläubig auf den Text. »Mit einer Haut wie Elfenbein und Rosen ... eine schlanke Figur mit schmaler Taille und zierlichen Fesseln ... Ihre Kleidung muss betont feminin sein ... Augen wie Smaragde ... und das Haar wie flammendes Gold!« Er starrte den Reverend anklagend an. »Was, zum Teufel, soll das sein? Ich erkenne meine Handschrift wieder, aber irgendwie ist es Euch gelungen, die Liste in ihr Gegenteil zu verkehren!«
»So etwas würde ich nie tun, Mylord! Und wie vermöchte ich Eure Handschrift nachzuahmen?«
»Das weiß ich auch nicht, aber nur Ihr könnt -« Anatole hielt inne, als ihm plötzlich die Nacht wieder einfiel, in der er Fitzleger den Zettel gegeben hatte... Ein Windstoß hatte ihm das Papier aus der Hand gerissen, und dazu ertönte ein spöttisches Lachen.
»Prospero!«
Der Burgherr knirschte mit den Zähnen. Sein Vorfahr war für einige üble Tricks berüchtigt gewesen. »Möge der Bastard in der Hölle schmoren. Das hier ist sein Werk. Als wenn dieser Teufel in Menschengestalt nicht schon zu seinen Lebzeiten genug Unheil angerichtet hätte - jetzt muss er mir auch noch mein Leben sauer machen!« Er schleuderte den Zettel mit solcher Wut ins Feuer, dass diesmal sogar Ranger den Kopf hob. »Ihr meint also, Prospero habe die Liste gefälscht? Ich muss schon sagen ...« Der Reverend hielt rasch die Hand vor den Mund, um sein Grinsen zu verbergen. »Für einen dreihundert Jahre alten Geist ist er aber noch ziemlich rege. Doch hat man ihm immer schon einen Kennerblick für die Damenwelt nachgesagt.«
Ein Blick Anatoles genügte, um Fitzleger die Heiterkeit auszutreiben.
»Fluch über Prospero und seine Streiche. Dennoch bleibt die Schuld an diesem Desaster an Euch hängen, alter Mann. Ich habe Euch an jenem Abend sehr deutlich erklärt, was ich mir wünsche. Die Liste wäre gar nicht vonnö- ten gewesen.«
»Vorsicht, Mylord, ich habe Euch von Anfang an gewarnt, dass die Brautsuche nicht auf diese Weise zu Wege gebracht werden kann. Ein höherer Instinkt führte mich zu Madeline.«
»Dann hat Euer Instinkt diesmal aber weit am Ziel vorbeigeschossen! Nun denn, für diese Geschichte
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