St. Leger 01 - Der Fluch Der Feuerfrau
gezogen. Er hatte furchtbare Verbrennungen erlitten, lebte aber noch eine Weile. In seiner letzten Stunde bereute er seine Sünden und bat darum, auf dem Friedhof beigesetzt zu werden. Euer Großvater war furchtbar wütend, weil ich ihm diesen Wunsch nicht abgeschlagen habe, aber was hätte ich denn anderes tun sollen?« Septimus seufzte. »Ich habe eine einfache Totenmesse für ihn abgehalten, zu der niemand erschien. Warum aber kam heute jemand, um ihn zu beweinen? Nach so langer Zeit? Als ich mich ihr näherte, verschwand sie so rasch wie ... wie ein Geist.«
»Nichts da, Reverend. Onkel Hadrian hat immer erklärt, so viel Schlechtes man den Mortmains auch nachsagen könne, ein Gutes hätten sie: Wenn die Mitglieder dieses Geschlechts einmal tot wären, würden sie ihre Gräber auch nicht wieder verlassen.«
»Aber wer war diese Frau?«
»Das weiß ich auch nicht.« Anatole ließ sich schwer in einen Sessel nieder und massierte sich eine schmerzhafte Stelle zwischen den Schulterblättern. In den vergangenen Jahren hatte er schon allein mit seinem St.-Leger-Erbe genug Ärger gehabt, da wollte er sich nicht auch noch mit diesen lästigen Mortmains herumärgern müssen. Und Fluch und Verdammnis über ihn, wenn er sich ausgerechnet heute Nacht den Kopf darüber zerbräche. »Wahrscheinlich war sie niemand Bestimmtes«, meinte der Burgherr. »Irgendeine herumziehende Zigeunerin oder ein dummes Ding aus dem Dorf, die nicht lesen kann und deswegen vor dem falschen Grab gestanden hat... Doch wenn es Euch beruhigt, alter Freund, werde ich die Angelegenheit weiter verfolgen.«
»Vielen Dank, Mylord. Mir wäre doch sehr viel wohler, wenn Ihr die Sache bald in Angriff nehmen würdet.«
»Ich hoffe, Ihr verlangt nicht von mir, jetzt gleich damit zu beginnen«, entgegnete St. Leger trocken. »Nein, morgen ist noch früh genug.« Der alte Mann schien seinen Humor wieder gefunden zu haben. »Und nun entschuldigt mich bitte, Euer Lordschaft, ich habe Euch lange genug von Eurer Lady fern gehalten.«
»Das trifft zu. Ich habe sie schon vor einer ganzen Weile nach oben geschickt.«
Fitzleger, der sich gerade erhoben hatte, plumpste in den Sessel zurück. »Ihr habt sie hochgeschickt?«
»Ja, natürlich.«
»Herumkommandiert wie einen Eurer Diener?«
Jetzt erkannte der Burgherr, dass Septimus ihm Vorhaltungen machen wollte. »Als Lord bin ich es gewöhnt, Befehle zu geben. Warum sollte ich das bei meiner Gemahlin anders halten?«
»Ich fürchte, einiges ändert sich, wenn man heiratet.«
»Was denn, zum Beispiel?«
»Nun, Frauen ziehen dann in den Haushalt ein. Ich muss gestehen, Mylord, dass ich zutiefst bestürzt reagierte, als ich von der abrupten Abreise von Madelines Zofe und Cousine erfuhr.«
»Das war doch nicht meine Schuld. Immerhin habe ich dieses törichte Weibsvolk nicht mit geladener Büchse davongejagt.«
»Ich fürchte, dessen hat es auch gar nicht mehr bedurft. Versteht bitte, Anatole, nun, da Ihr Euch eine Frau genommen habt, werdet Ihr zusätzliche Dienerschaft benötigen.«
»An Bediensteten habe ich wahrlich genug.«
»Ich spreche von weiblichem Personal.«
»Niemals! Man mag mich gezwungen haben, zu heiraten, aber ich werde nicht zulassen, dass diese Burg von einer Horde zänkischer, klatschsüchtiger Weiber eingenommen wird!«
»Aber Ihr könnt doch nicht zulassen, dass Madeline als einzige Frau ihr Leben unter lauter Männern zubringen muss.«
»Wieso denn nicht? Ich selbst bin damit doch auch immer gut zurechtgekommen.« Aber Anatole wusste, dass dieses Argument nicht stach, und so sagte er einen Moment später: »Also gut, ein Mädchen aus dem Dorf, wenn Ihr eine findet, die Mut genug hat, nach Castle Leger zu kommen. Sie mag Madeline als Zofe dienen, aber mehr erlaube ich nicht.«
Er erhob sich. »Nun, Reverend, gibt's sonst noch etwas?«
»Ich fürchte, ja, Mylord. Ihr müsst unbedingt einiges mehr über Frauen wissen. Sie sind nämlich anders als Männer.«
»Kommt Ihr damit nicht ein wenig spät, Fitzleger? Den Vortrag hättet Ihr mir halten müssen, als ich dreizehn war.«
»Mit dreizehn ... Soll das heißen, dass Ihr schon in so jungen Jahren ... Nein, schweigt! Ich will es gar nicht wissen.« Der Pastor hob abwehrend beide Hände. »Ich will Euch nur folgendes nahe bringen, Euer Lordschaft. Wenn ein Mann sich in einer amourösen Stimmung befindet, zählt für ihn nur die Gegenwart. Aber die, äh, Empfänglichkeit einer Frau hängt auch davon ab, wie sie den Tag über behandelt
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