St. Leger 01 - Der Fluch Der Feuerfrau
nicht erklären, warum es ihm so viel ausmachte, dass sie ihn loswerden wollte. Bei den vielen anderen, mit denen er im Bett gelegen hatte, wollte er danach eiligst verschwinden. Warum sollte es jetzt anders sein?
Vielleicht weil es seiner Braut nicht so dringend gewesen wäre, ohne ihn zu sein, wenn er sich mehr auf Prosperos Verführungskünste verstanden hätte? Oder wenn er dem selbst gemalten Porträt etwas ähnlicher gesehen hätte? »Dann ... gute Nacht«, verabschiedete er sich und lief zur Tür. Doch bevor er hinausgehen konnte, rief sie ihn. »Anatole?«
Er blieb stehen und drehte sich langsam zu ihr um. Die junge Frau saß aufrecht im Bett, das Mondlicht umgab sie wie eine Aura, und die roten Locken fielen ihr über die Schulter.
St. Leger schluckte, weil er sie in diesem Moment noch mehr begehrte als vorher. »Ja?«
»Wegen heute Nacht... Ich wollte Euch nur wissen lassen, dass es ... dass es nicht halb so schlimm war, wie ich befürchtet hatte.«
Der Burgherr zuckte wie unter einem Schlag zusammen. Nicht halb so schlimm. Auch ihr liebliches Lächeln konnte ihm nicht das Gefühl nehmen, am Boden zerstört zu sein. Ohne ein weiteres Wort verließ er die Kammer. Als er fort war, streckte Madeline sich und kuschelte sich unter das Plumeau. Die Anspannung der letzten Tage machte sich jetzt deutlich bemerkbar, und sie war zu müde, sich das Nachthemd überzustreifen. Davon abgesehen hatte es etwas höchst Sinnliches an sich, den Stoff auf der bloßen Haut zu spüren. Und nackt zu schlafen, kam ihr mit einem Mal kühn und verrucht vor. Sie dachte über das nach, was Anatole gerade mit ihr angestellt hatte. So wie sein Körper sich mit dem ihren vereint hatte ... ebenso befremdlich wie wunderbar; und bei weitem nicht so grässlich, wie sie es sich vorgestellt hatte. Anfangs hatte es tatsächlich ein wenig wehgetan, aber St. Leger war so unglaublich rücksichtsvoll, fast schon ein wenig scheu gewesen. Und dabei hatte Madeline etwas verspürt, das sie sich nicht erklären konnte. Ein Gefühl, mehr Hoffnung und Versprechen, dass beim nächsten Mal sogar noch etwas mehr geschehen könnte ... Verblüfft stellte die junge Frau fest, dass sie sich sogar auf das nächste Mal ein wenig freute. Nein, eigentlich sehr darauf freute ...
Warum auch nicht?, fragte sie sich, während sie das Kissen an sich drückte. Von nun an war sie keine unwissende Jungfrau mehr und würde nicht irgendwann als alte Jungfer sterben. Madeline erinnerte sich daran, wenn ihre Schwestern etwas von »Ehefrauenangelegenheiten« getuschelt und dann gekichert hatten. Damals hatte sie das mit Sehnen und Melancholie erfüllt.
In jener Zeit war sie sich wie eine Außenseiterin vorgekommen. Während sie über die Natur des Lebens gelesen und philosophiert hatte, hatten ihre Schwestern sie genossen und die Erfahrungen gemacht, die so alt waren wie Adam und Eva.
Jetzt gehörte Madeline auch zu den Eingeweihten, und sie schmeichelte sich, heute Abend eine Menge über Männer im Allgemeinen und Anatole im Besonderen erfahren zu haben. Nun war sie wahrhaftig eine Ehefrau, und wer weiß, noch ehe das Jahr herum war, würde sie vielleicht schon Mutter sein.
Der Gedanke erfüllte sie mit Ehrfurcht und gähnend gab sie sich der Vorstellung hin. Aus einem Kind wurden ein halbes Dutzend. Natürlich würde sie die Erziehung der Kleinen selbst in die Hand nehmen, und wenn diese ihr die unregelmäßigen lateinischen Verben aufsagten oder in fehlerfreiem Altgriechisch Homer rezitierten, würde Madeline sie mit Naschwerk und Zuckernüssen belohnen. Sie träumte in dieser Nacht von ihrem gebildeten Nachwuchs, der im Kreis um sie versammelt saß und zu ihr mit den Augen ihres Vaters aufsah.
Die junge Frau bemerkte nicht, als Anatole einige Stunden später in ihr Zimmer kam. Obwohl die Dämmerung noch nicht über das Land gekommen war, stand er gestiefelt und gespornt da, um in den Stall zu gehen und auszureiten. In den letzten Minuten der Nacht, die er so lange ersehnt hatte, lag seine Gemahlin friedlich schlafend in ihrem Bett. Was hatte er denn erwartet? Ein Feuerwerk? Salut aus einem Dutzend Kanonen? Nein, so töricht war er nun doch nicht gewesen.
Aber er hatte Erlösung von all den dumpfen Schmerzen, der Einsamkeit und der Sehnsucht erhofft. Doch die Rastlosigkeit und Leere in ihm hatten ihn die ganze Nacht am Schlaf gehindert.
Er verwünschte den Tag, an dem er den Brautsucher ausgesandt hatte, ihm eine Frau zu finden. Fitzleger hatte ihm Madeline Breton
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