St. Leger 01 - Der Fluch Der Feuerfrau
Madam.«
»Aber, Mylord -«
»Geht zu Bett, Madeline!«
Sie sah ihm in die Augen, und sein harter Blick zwang sie, zurückzuweichen, so als schiebe er sie mit den Händen. Die anderen standen mit steinernen Mienen da und mieden ihren Blick. Offenbar hatte sie in den Augen dieser Männer eine unverzeihliche Sünde begangen - indem sie die hoch geachtete Tradition des Brautfinders abgelehnt hatte. Selbst Fitzleger schien von ihr enttäuscht. Madelines Wangen brannten, und sie musste mehrmals schlucken, um nicht in Tränen auszubrechen.
Mit dem letzten Rest an Würde, der ihr verblieben war, schritt sie über das zerbrochene Geschirr. Von den Tellern und Gläsern war ebenso viel übrig geblieben wie von ihren Hoffnungen für diesen Abend: nur Scherben.
Während die Familienmitglieder sich einer nach dem anderen zurückzogen, starrte Anatole auf die ersten Regentropfen, die an die Fensterscheibe klatschten. Roman und der Franzose verschwanden als erste. Warum auch nicht?, fragte sich der Burgherr bitter. Sein Vetter hatte das erreicht, weshalb er überhaupt gekommen war:
Anatole wieder einmal so weit zu bringen, dass er sich vergaß.
Der letzte Rest seines Ärgers verging, und er fühlte sich nur noch müde. Tiefe Scham befiel ihn, weil er sich von seinem Cousin wieder hatte provozieren lassen. Er wünschte, die anderen würden sich beeilen, weil er ihnen nicht ins Gesicht sehen konnte. Spätestens nach dem heutigen Abend musste ihnen klar sein, dass mit seiner Ehe etwas nicht stimmte.
Madelines Worte, die Familientraditionen widersprächen jeder Vernunft, hallten in seinem Kopf wider. Keine St.-Leger-Braut hatte so etwas jemals von sich gegeben; zumindest keine, die in den Armen ihres Gatten Liebe und Erfüllung gefunden hatte.
Anatole spürte die Sorge seiner Onkel und Cousins. Sie hätten Schulter an Schulter mit ihm gestanden, gegen jeden Feind.
Doch seine Probleme mit der auserwählten Braut verwirrten sie, und sie fühlten sich so hilflos wie er selbst. Einer nach dem anderen murmelten sie ihren Abschied, und sogar der alte Fitzleger wirkte mitgenommen und verstört. Nur einer blieb zurück: der Verwandte, den Anatole jetzt am wenigsten sehen wollte. »Fehlt Eurem Pferd etwas?«, fragte er Marius. »Nein, aber ich sagte mir, ich könnte Euch vielleicht helfen.«
Der Burgherr lachte rau. »Meiner Frau muss man nicht noch einmal ins Herz schauen, oder? Sie hat sich ja ziemlich deutlich geäußert.«
»Ich meinte eigentlich meine medizinischen Fähigkeiten. Macht es mir bitte nicht so schwer, ich liebe meine besonderen Talente genauso wenig wie Ihr die Euren.«
»Ich brauche keine verdammte Untersuchung.«
»Die Entscheidung liegt natürlich ganz bei Euch, Mylord. Wenn diese Wunde sich infizieren sollte, muss man Euch den Arm vielleicht abnehmen. Aber das macht ja nichts, oder, habt Ihr doch immer noch den anderen Arm. Und ich wage zu behaupten, dass Ihr nach einer Weile genauso gut mit der Linken reiten und schießen könnt wie vorher mit der Rechten.«
»Also gut, verflucht noch mal, dann untersucht mich. Anders werde ich Euch ja wohl doch nicht mehr los.« Er befreite sich aus seinem Rock und krempelte den Hemdsärmel hoch. Dabei riss die Wunde wieder auf, und neues Blut quoll hervor.
Ein sauberer Schnitt am Unterarm. Dennoch runzelte der Arzt die Stirn, während er das Blut mit einem Tuch wegwischte.
»Man wird die Wunde nicht nähen müssen. Aber sie sieht dennoch hässlich aus. Roman wird einige Fragen beantworten müssen.«
»Ich war auch nicht ganz unschuldig daran«, gestand Anatole widerwillig ein. »Ein dummer Trick, ihn sich selbst mit dem Wein bespritzen zu lassen. Niemals hätte ich so sehr die Beherrschung verlieren dürfen.«
»Ich hatte allerdings den Eindruck, dass Ihr Euch bewundernswert im Griff hattet«, entgegnete Marius, während er in seiner Arzttasche suchte und schließlich eine selbst hergestellte Salbe herausholte.
Anatole zuckte zusammen, als die Salbe aufgetragen wurde. Marius lächelte kurz bedauernd, und in diesem Moment verspürte der Burgherr ein besonderes Band zwischen sich und dem Vetter, der ihm früher immer ein wenig unheimlich gewesen war.
Doch dieses angenehme Gefühl währte nicht lange, denn zu offensichtlich waren die Anzeichen, in welchem Desaster diese Familienzusammenkunft geendet war. Umgeworfene Stühle, zerschmettertes Geschirr und Blut-und Weinflecke auf dem Aubusson-Teppich, der noch von seiner Mutter stammte.
Anatole seufzte tief, als der Arzt
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