ST - New Frontier 5: Ort der Stille
Zoran oder beide hereinschauten. Sie wusste nur, dass sie nicht das leiseste Anzeichen von sich geben durfte, dass sie alles mitgehört hatte.
»Sie schwitzt sehr stark«, hörte sie Zoran flüstern.
»Vielleicht hat sie gerade einen Traum.«
»Vielleicht. Fragen Sie sie morgen früh danach. Finden Sie heraus, was Sie in Erfahrung bringen können. Ich werde in der Nähe bleiben. Melden Sie mir alles, was sie Ihnen erzählt, dann werden wir eine Entscheidung über ihre Zukunft treffen.«
»Gut.«
»Und noch etwas, Malia.«
»Ja?«
Es folgte eine bedeutungsschwangere Pause, bevor er weitersprach. »Begehen Sie keinen folgenschweren Fehler. Auf dieser Welt im Nirgendwo fallen zwei Leichen genauso wenig auf wie eine. Ich versichere Ihnen, dass sich niemand sonderlich dafür interessieren würde. Haben wir uns verstanden?«
»Sie können sich Ihre Drohungen sparen, Zoran.«
»Nein, sie sind ein Zeichen meiner Großzügigkeit. Ich mache Ihnen damit ein wertvolles Geschenk. Gute Nacht, Malia.«
Riella lauschte auf das Geräusch seiner sich entfernenden Schritte und der sich öffnenden und schließenden Haustür. Während dieser Zeit rührte sich ihre »Mutter« nicht von der Stelle. Dann hörte sie, wie sich Malia vorsichtig näherte. Wieder hätte sie beinahe aufgeschrien, als die Finger der Frau ihre Wange streiften und einige Haarsträhnen ordneten – liebevoll und besorgt wie jede andere Mutter. Kurz darauf verließ sie das Zimmer und ließ Riella mit ihren chaotischen Gedanken allein.
Das Mädchen hatte nicht die Absicht, in dieser Nacht zu schlafen. Sie wollte bei der erstbesten Gelegenheit aus dem Haus flüchten, um so weit wie möglich von hier wegzukommen. Aber auch draußen in der Nacht lauerten nun zahlreiche Schrecken, wenn sie sich vorstellte, dass Zoran irgendwo auf sie wartete. Vielleicht beobachtete er das Haus sogar, damit sie nicht unbemerkt fortlief. Oder er würde sie auf irgendeine andere Weise aufspüren und sie in der Dunkelheit verfolgen …
»Riella! Komm schon … wach auf, du Schlafmütze!«
Riella blinzelte im hellen Licht, das durch das Fenster hereindrang. Ihr Nachthemd war klitschnass und gab ein schmatzendes Geräusch von sich, als sie sich aufsetzte. Sie blickte sich um und sah ihre Mutter, die so fröhlich und freundlich wie immer war. Sie zerraufte Riellas Haar und sagte: »Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wann du das letzte Mal so spät aufgestanden bist. Ich brachte es nicht übers Herz, dich früher zu wecken, weil du so tief und fest geschlafen hast. Du fühlst dich bestimmt außergewöhnlich erfrischt.«
»Ja, sehr«, sagte Riella tapfer. Im grellen Licht des neuen Tages fragte sie sich, ob ihr unwirkliches Erlebnis in der vergangenen Nacht vielleicht genau das gewesen war, nämlich unwirklich. Möglicherweise hatte sie sich alles nur eingebildet. Zumindest klang diese Erklärung sinnvoller als die Vorstellung, ihre Mutter könnte in eine bizarre Verschwörung mit einem rothäutigen Mann verstrickt sein, der sie in ihren Träumen heimsuchte.
»Gut. Dann werde ich dir ein schönes Mittagessen zubereiten. Das Frühstück hast du ja verschlafen. Warum gehst du nicht ins Bad und kommst dann in die Küche?«
»Mache ich, Mutter.« Die Erinnerungen an die vergangene Nacht verflüchtigten sich bereits, und die Fantasie wich der Wirklichkeit. Offenbar wurden ihre Träume immer unheimlicher und nahmen die Gestalt realistischer Szenen an, statt sie auf die Oberfläche eines surrealistischen Planeten zu versetzen. Alles andere war unverändert. Das erkannte sie nun in aller Deutlichkeit. Die Gespräche der vergangenen Nacht waren allein ihrer fiebrigen Fantasie entsprungen, ohne dass irgendetwas davon auf Tatsachen beruhte.
Ihre Mutter ging zur Tür, doch sie verließ den Raum noch nicht, sondern drehte sich zu ihrer Tochter um. »Wenn du so tief geschlafen hast, scheinen deine Träume wirklich verschwunden zu sein.« Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: »Oder?«
Riella hielt den Atem an, als sie erneut einen Schrei ersticken musste. »Ja«, sagte sie mit heiserer Stimme.
»Schließlich würdest du es mir sagen, wenn du diese Träume immer noch hättest … nicht wahr?«
»Natürlich würde ich das, Mutter. Warum sollte ich es dir verschweigen?«
»Dafür gäbe es keinen Grund«, sagte ihre Mutter zuversichtlich. »Nicht den geringsten. Oder doch?«
»Nein, es gibt keinen.«
»Gut«, erwiderte Malia und rieb sich die Hände. »Wir können uns später darüber
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