ST - TOS 101: Feuertaufe: McCoy - Die Herkunft der Schatten
dass die Zeit gekommen war. Sie verstand nicht wirklich, warum, aber sie konnte genau sagen,
wann
es geschehen war.
In den Monaten seit Silvester, als ein Haufen Feuerwerkskörper in der Nähe des Times Squares losgegangen war, hatte Leonard eine deutliche Veränderung seines Verhaltens gezeigt. Er arbeitete immer noch auf der Baustelle, verbrachte seine restliche Zeit als freiwilliger Helfer in der Mission und lebte nach wie vor in einer Wohnung im selben Gebäude wie Edith. Doch sämtliche Lebensfreude schien aus ihm gewichen zu sein. Edith war klar, dass die Feuerwerkskörper ganz ähnlich wie Schüsse geklungen hatten, und sie befürchtete, dass der Vorfall Leonard an ein traumatisches Erlebnis aus seiner Vergangenheit erinnert hatte. Er wirkte nachlässig und bedrückt, was sie sehr besorgte.
Eine Stunde später beschäftigte sie die Sache immer noch. Sie stand vor dem Spülbecken und wusch das Geschirr ab, während die letzten noch verbliebenen Besucher die Mission verließen. Als sie nach ein paar Minuten hörte, wie die Eingangstüren ins Schloss fielen, wusste sie, dass die anderen beiden Freiwilligen, die an diesem Tag ausgeholfen hatten, ebenfalls gegangen waren. Sie sah über die Schulter in den Hauptraum, wo Leonard abschloss und die Jalousien herunterließ. Edith spülte die Schüssel, die sie gerade geschrubbt hatte, mit klarem Wasser aus und stellte sie zum Trocknen auf die Ablage. Dann ging sie in den Hauptraum. »Leonard«, begann sie.
Er blickte ihr vom anderen Ende des Raums entgegen, wo er damit angefangen hatte, die Stühle auf die Tische zu stellen. »Ja?«, entgegnete er, und sie deutete sein lebloses Gesicht als Maske der Verzweiflung.
»Ich würde gerne mit dir reden«, sagte Edith. Sie trat zum nächstgelegenen Tisch und starrte Leonard durch den Raum hinweg an. »Ich wüsste gern, was dir fehlt.«
»Fehlt?«, wiederholte Leonard. Er zuckte mit den Schultern und sah auf den umgedrehten Stuhl in seiner Hand. »Gar nichts.« Er stellte den Stuhl auf den Tisch und nahm sich den nächsten vor. Edith spürte, dass selbst er wusste, wie unglaubwürdig seine Worte klangen.
»Wenn du nicht mit mir reden willst, ist das in Ordnung«, teilte Edith ihm mit. »Aber ich würde es sehr zu schätzen wissen, wenn du mir zuhören würdest.«
Leonard stellte den nächsten Stuhl auf den Tisch und ging zu einem weiteren. »Natürlich«, sagte er.
»Ich kenne dich jetzt schon eine ganze Weile«, sagte Edith. Sie legte ihre Hand auf den Tisch, neben dem sie stand, und tippte nervös auf der Oberfläche herum. »Auch wenn ich nicht weiß, wo du hergekommen bist oder was für ein Leben du vor unserer Begegnung geführt hast, da du dich nach wie vor weigerst, etwas von dir zu erzählen …« Leonard hielt mitten in der Bewegung inne, den Stuhl auf halbem Weg zum Tisch erhoben, und öffnete den Mund, als wollte er etwas sagen. Doch Edith hob die Hand, um ihn davon abzuhalten. »Wenn du jetzt protestieren und mir wieder einmal mitteilen willst, dass du keine Erinnerung an dein Leben vor deiner Ankunft hier hast, dann spar dir das bitte. Ich bestreite das gar nicht. Was ich sagen will, ist, dass ich trotz allem glaube, dich gut zu kennen.«
»Vermutlich ist das so«, stimmte Leonard zu. Er hielt immer noch den Stuhl und rührte sich nicht.
»Bitte glaube mir, wenn ich sage, dass ich weiß, dass etwas nicht stimmt«, fuhr sie fort. »Und dass ich weiß, dass es etwas anderes als deine fehlende Erinnerung oder die Tatsache ist, dass deine Freunde nicht gekommen sind, um dich nach Hause zu holen. Denn was immer mit dir nicht stimmt, begann an Silvester.«
Leonard stellte den Stuhl wieder auf den Boden und legte die Hände auf die Lehne. »Du bist sehr scharfsinnig«, sagte er.
Edith neigte den Kopf, um das Kompliment anzuerkennen, sprach dann jedoch schnell weiter. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass du nach all der Zeit plötzlich mit mir über deine Probleme reden willst.«
Leonard hob eine Hand von der Stuhllehne und ließ sie dann hilflos wieder sinken. »Das kann ich wirklich nicht tun«, sagte er.
»Kannst du es nicht?«, hakte Edith nach. »Oder willst du es nicht?«
»Spielt das tatsächlich eine Rolle?«, fragte Leonard.
»Ich denke schon«, sagte sie. Mit einem Mal erschien Edith die Distanz zwischen ihnen fast greifbar. Sie durchquerte den Raum, bis sie vor Leonard stand, und zog zwei Stühle vor, die noch auf dem Boden standen. Sie nahm auf einem davon Platz und sagte: »Würdest du dich zu
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