Staatsanwalt sucht Polizist
dass sein Sohn mit einem Mann zusammen war, den er jetzt auch noch heiraten wollte. Da sie noch zwei weitere Söhne und drei Töchter hatten, die allesamt heterosexuell, verheiratet und mit Kindern gesegnet waren, hatten sie auch keine Not. Mit zehn Enkelkindern waren sie gut bedient.
Es klingelte an der Haustür. Meine Mutter lief hin und öffnete.
„Guten Tag, wir … ähm …“, hörte ich die Stimme von Thorstens Mutter.
Meine Mutter lachte. „Ah, hallo! Sie müssen die Eltern von Thorsten sein. Diese Ähnlichkeit …“ Sie schnalzte mit der Zunge.
Sie begrüßten sich überschwänglich und betraten das Wohnzimmer. Klaus war endlich fertig, mir die Fliege zu binden – eigentlich mochte ich die Dinger nicht sonderlich gerne, aber da Thorsten sie liebte und ich ansonsten jeden Tag mit einer Krawatte zur Arbeit laufen musste, hatte ich mich dazu durchgerungen, eine zu tragen. Ich ging auf meine zukünftigen Schwiegereltern zu und streckte die Hand aus.
„Frau van der Benke … Herr van der Benke … Wie schön, dass Sie schon da sind.“
Thorstens Vater winkte grinsend ab und zog mich väterlich an seine Brust. „Du gehörst doch ab heute zur Familie, mein Sohn. Ich bin Finn!“
Ich musste unwillkürlich lächeln. „Okay, Finn. Danke!“
„Und ich bin die Lisa..
Ich deutete meiner Schwiegermutter in spe einen Handkuss an und verbeugte mich leicht. „Gerne, Lisa!“
Ich drehte mich um und suchte nach meinem Vater. Er hatte sich in die hinterste Ecke auf ein Kanapee verkrümelt, um dem Trubel etwas zu entgehen. Nun erhob er sich und zog seine Krawatte zurecht. Mit ausgestreckter Hand lief er auf Thorstens Eltern zu und begrüßte sie. Unsere Eltern boten sich gegenseitig das ‚du‘ an und damit war das Eis gebrochen. Unsere Mütter marschierten in die Küche, während mein Vater Finn auf die Terrasse bugsierte, wo sie sich erst einmal einen Kaffee gönnten.
Thorsten hatte die letzte Nacht bei seinem Bruder Johann geschlafen. Er meinte, die Nacht vor der Hochzeit dürfe man auf keinen Fall unter einem Dach verbringen. Da meine Eltern und meine Schwester mit ihrer Familie bereits gestern kamen, um bei uns zu übernachten, hatte ich kaum Zeit, ihn zu vermissen. Aber komisch war es schon, schlafen zu gehen und neben sich eine leere Betthälfte zu haben. Im Grunde genommen war ich es ja gewohnt. Immerhin hatte Thorsten als Polizist diverse Nachtschichten, aber wenn ich allein in dem großen Haus war, fühlte ich mich schon so manches Mal etwas unbehaglich. Thorsten hatte einen Versetzungsantrag zur Kripo gestellt. Wenn das klappen sollte, würde er nur noch tagsüber arbeiten.
„Marten, hast du alles, mein Junge?“ Mein Vater riss mich aus meinen Gedanken.
Ich schaute auf meine Armbanduhr. Es war bereits halb elf Uhr.
„Wann ist die Trauung?“, fragte meine Mutter.
„Um halb zwölf Uhr“, erwiderte ich. „Aber es ist keine Trauung , Mama!“
Meine Mutter winkte ab. „Papperlapapp…alles Unsinn! Ist doch alles das Gleiche. Es ist und bleibt eine Ehe! Seien wir doch mal ehrlich…egal, wie die Herren Politiker dieses gleichgeschlechtliche Dingsda nennen…im Grund genommen vollziehen und feiern wir heute deine und Thorstens Eheschließung..
Ich musste grinsen. Manchmal war meine Mutter wirklich süß. „Ich bin ganz deiner Meinung, Gerlinde“, säuselte Lisa und hakte meine Mutter unter. „Wir Ladys gehen schon mal nach draußen zum Wagen. Ihr Männer könnt ja nachkommen, wenn ihr so weit seid.“
Ich griff nach meinen Papieren, die ich dem Standesbeamten noch übergeben musste und scheuchte meine Schwester hinter meinem Schwiegervater aus dem Haus. Wir stiegen in die Autos und fuhren in Richtung Innenstadt.
* * *
Exakt zehn Minuten vor halb zwölf Uhr hatten wir endlich einen Parkplatz gefunden und bewegten uns im Pulk auf das historische Harburger Rathaus zu. Warum sich Thorsten unbedingt in diesem unschönen Stadtteil trauen lassen wollte, war mir bisher ein Rätsel gewesen. Ich fand die Idee gar nicht schlecht, unsere Eheschließung auf dem Hamburger Elbschiff zu vollziehen. Aber Thorsten gestand mir, dass er so schnell seekrank wird. Daher haben wir von meinem Vorschlag schnell wieder Abstand genommen. Stattdessen hatten wir das Angebot des Harburger Standesamtes angenommen und für einen beträchtlichen Aufpreis die Trauung im Harburger Rathaus gebucht. Und das Rathaus konnte sich wirklich sehen lassen. In seiner altertümlichen Pracht lag es nun vor uns.
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