Staatsverschuldung
Währungsreform finden sich im zwanzigsten Jahrhundert. Hierunter fällt beispielsweise auch die deutsche Hyperinflation 1922/23 als Folge des Ersten Weltkriegs.
Eine mäßig erhöhte Inflationsrate führt jedoch keinesfalls automatisch zu Hyperinflation und in eine Währungsreform. Deswegen wurden im Zuge der weltweiten Finanzkrise des Jahres 2008 immer wieder Forderungen nach einer dauerhaft höheren Inflationsrate laut, um damit die mit dieser Krise verbundenen Probleme in den Staatsfinanzen zu lösen[ 46 ]. Tatsächlich wären temporär etwas höhere Inflationsraten möglicherweise das geringere Übel, falls damit höhere Arbeitslosigkeit vermeidbar und höheres Wachstum erzielbar werden. Allerdings ist fraglich, ob der Staat ohne Weiteres die Inflationsrate kontrollieren und erhöhen kann.[ 47 ] Aus den Erfahrungen in Deutschland nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg und den hohenInflationsraten der siebziger Jahre haben Theorie und Politik gelernt. Spätestens seit Ende der achtziger Jahre sind die meisten Zentralbanken unabhängig und können kaum dazu gezwungen werden, die Schulden des Staates anzukaufen. In vielen Zentralbanksatzungen, auch in der Satzung der Europäischen Zentralbank, ist dies sogar explizit verboten. Damit ist den Regierungen der direkte Zugang zu einer Finanzierung der Staatsschuld über die Notenpresse eigentlich versperrt.
Je nach Höhe des staatlichen Schuldenstands könnte sich jedoch auch eine unabhängige Zentralbank zur monetären Alimentation der Staatsschuld genötigt sehen. Wenn sie nämlich streng auf eine stabile Inflationsrate achtet und keine Staatsanleihen ankauft und zudem durch restriktive Geldpolitik für hohe Zinsen am Kapitalmarkt sorgt, kann sie die Finanzierung der Staatsschulden so weit verteuern, bis ein Staatsbankrott droht. Vor die Wahl gestellt zwischen Staatsbankrott und Inflation, muss man vermuten, dass sich die Zentralbank dann für das wohl kleinere Übel, die Inflation, entscheiden wird. Die Zentralbank gerät sozusagen ins Schlepptau der Staatsverschuldung – auf lange Frist wird hohe Staatsverschuldung dann schließlich doch mit Inflation beantwortet.
Aus dieser Perspektive betrachtet kann eine unabhängige Geldpolitik der Zentralbank nur dann auch langfristig stabile Inflationsraten garantieren, wenn die Regierung diese mit einer nachhaltigen Fiskalpolitik flankiert. Die jüngsten Entwicklungen nach der Finanzkrise, in deren Folge die Zentralbanken weltweit dazu übergegangen sind, Staatsanleihen zu kaufen – im Rahmen des «Quantitative easing», mehr dazu in Abschnitt V.4 –, spricht ebenfalls für diese Sichtweise. Ob daraus auch höhere Inflationsraten folgen, ist bisher kaum absehbar. Immerhin haben die Zentralbanken theoretisch die Möglichkeit, das durch den Aufkauf von Staatsschuldtiteln in Umlauf gebrachte zusätzliche Geld durch den Verkauf dieser Staatsschuldtitel wieder einzusammeln.
Empirisch gibt es Befunde, die auf den diskutierten Zusammenhang zwischen Staatsverschuldung und Inflation hindeuten: Eine Studie für 71 Staaten über den Zeitraum von 1963 bis2004 zeigt, dass vor allem hoch verschuldete Länder auch hohe Inflationsraten vorweisen[ 48 ]. Eine Analyse der Staatsverschuldung in Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien für die Jahre 1970 bis 1997 kommt zu dem Schluss, dass eine Zunahme der Staatsverschuldung kurzfristig zwar keine eindeutigen Folgen für die Inflationsrate hatte, langfristig aber eindeutig zu steigenden Inflationsraten in den einzelnen Staaten als auch in der EU als Ganzem führte. Ein Anstieg der Verschuldung um ein Prozent in Deutschland und Großbritannien beispielsweise trug im Schnitt zu einem langfristigen Anstieg der Inflation von mehr als einem Prozent bei[ 49 ].
Sollte die Finanzierung der Staatsverschuldung über Inflation an ihre Grenzen stoßen oder nicht möglich sein, bleibt einem hoch verschuldeten Staat, der keine neuen Kredite mehr bekommt, irgendwann nur noch ein letzter Ausweg: der Staatsbankrott.
5. Staatsbankrott
Der letzte Ausweg aus einer staatlichen Schuldenkrise ist eine
Umschuldung,
die umgangssprachlich auch als Staatsbankrott bezeichnet wird. Wie bereits in Kapitel I.I dargelegt, kann ein Staat im Gegensatz zu einem privatwirtschaftlichen Unternehmen keine Insolvenz anmelden und den Geschäftsbetrieb einstellen. Eine Definition von Staatsbankrott
(Sovereign default)
ist also nicht einfach, da ein Staat nicht aufgelöst oder von einer anderen Partei übernommen
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