Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stachel der Erinnerung

Stachel der Erinnerung

Titel: Stachel der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Henz
Vom Netzwerk:
getroffen.
    „Essen“, sagten die beiden Frauen aus einem Mund.
    „Das Leben als Historikerin muss wirklich traurig sein.“ Er hielt Tessa eine geöffnete Bierflasche hin.
    „Ja, wir weinen tagtäglich“, antwortete sie und nahm die Flasche.
    Hendrik setzte sich neben sie. „Wenn du mal keine Taschentücher mehr hast, kannst du gern zu mir kommen. Ich hab immer welche.“ Er grinste sie mehr vergnügt als anzüglich an, aber Tessa spürte trotzdem, wie sich ihre Wangen röteten.
    „Gut zu wissen“, brachte sie heraus.
    „Mir darfst du eines geben, ich hab mich vollgekleckert, kein Wunder bei der Menge an Mayo, die Mister Dayton da verbraten hat.“
    Hendrik zog den Reißverschluss des Overalls nach unten und griff in die Innentasche. „Vorgewärmt an der Glut meines Herzens.“
    „Das wollte ich nicht wissen“, erwiderte Berit und wischte sich zuerst die Finger, dann den Mund ab und versuchte schließlich, die Flecken von ihrem Sweater zu reiben.
    „Wenn das Gutachten heute noch immer nicht da ist, wie willst du dann weiter vorgehen?“, erkundigte sich Tessa bei Hendrik.
    „Ich hatte ja Gelegenheit, mit dem Geologen zu sprechen, als er seine Proben genommen hat. Seinem ersten Eindruck nach ist der Untergrund in Bewegung und egal, was wir tun, die Chancen, dass wir das Schiff in Sägespäne verwandeln, stehen ausgesprochen gut.“ Er nahm einen Schluck aus der Flasche.
    „Und was ist die schlechte Nachricht?“, fragte Berit.
    „Dass es sich in Sägespäne verwandelt, ohne dass wir etwas tun – außer gerade das Deck zu reinigen.“
    „Wirklich?“ Tessa konnte nicht verhindern, dass ihre Worte die Panik widerspiegelten, die sie plötzlich befiel. Hendrik warf ihr einen schrägen Blick zu. „Ich liebe nun mal die Gefahr, das ist der Grund, warum ich diesen Job mache.“
    „Du machst den Job wegen der Nullen auf deinem Konto, mein Lieber“, sagte Berit kühl. „Und aus keinem anderen Grund.“
    „Was willst du tun?“, fragte Tessa ihn neugierig, ohne auf Berits Einwurf einzugehen.
    „Einen Stollen in die Eiswand schlagen, und zwar neben dem Schiff. Auf beiden Seiten. Und von hinten sichern wir Zentimeter für Zentimeter ab, bis wir das Schiff mit dem Gerüst überzogen haben und das Gewicht ableiten können. Dann schneiden wir es entlang des Rumpfs aus dem Eis.“
    Tessa war beeindruckt. Der charmante Aufreißer hatte ja tatsächlich noch andere Qualitäten. „Klingt, als hättest du dir Gedanken gemacht. Wird es funktionieren?“
    „In meinen Gedanken schon. Ob es auch in Wirklichkeit hinhaut, keine Ahnung. Aber solange niemand einen besseren Plan bringt, wird es wohl dabei bleiben.“
    „Ist es gefährlich?“, fragte Berit und rieb weiter an ihrem Sweater herum.
    „Für mein Team schon.“ Seine Stimme klang ruhig. „Aber irgendjemand muss den Job ja machen, und ich mag die Nullen auf meinem Konto, wie du richtig erkannt hast.“ Der Hauch von Sarkasmus war so leicht, dass Tessa sich fragte, ob sie ihn sich nicht nur einbildete.
    „Könnte jemand einen anderen Plan haben? Einen besseren?“, fragte Berit unbeirrbar.
    „Hat schon einmal jemand ein Wikingerschiff aus dem ewigen Eis geborgen? Gibt es Vergleichswerte?“ Wenn er verärgert war, dann ließ er es sich nicht anmerken, stattdessen stand er auf und streckte sich. „Aber wenn du jemanden findest, der den Job besser erledigt, dann lass es mich wissen. Ich leide unter keiner Profilierungsneurose und ich setze auch nicht gerne das Leben meiner Männer aufs Spiel.“
    Ohne sich noch einmal umzudrehen, ging er zu dem Schiff hinüber. Tessa blickte ihm nach. „Ich glaube, du hast ihn beleidigt, Profilierungsneurose hin, Eitelkeit her.“
    Berit zuckte die Schultern. „Er wird sich schon wieder beruhigen. Und ich suche kein anderes Team. Das weiß er auch, glaub mir.“
    „Warum provozierst du ihn dann?“
    „Damit unser Leben nicht ganz so traurig ist, wie er denkt, dass es ist.“ Sie lächelte und nahm sich Tessas Bierflasche.
    „Ich werde die Ketten abmontieren. Wenn das nicht geht, dann soll Hendrik oder einer vom Team sie mitsamt den Planken rausschneiden. In der Pension kann ich sie reinigen und von den Runen eine Abschrift machen. Vielleicht hilft uns das weiter.“
    Sie verstaute die Abfälle in der leeren Tüte und stand auf. Berit folgte ihr. „Gut, das ist immerhin ein Anfang.“
    Vom Bergungsteam besorgten sie sich die nötige Ausrüstung und stiegen wieder auf das Schiff. Vier der Männer waren dabei, das

Weitere Kostenlose Bücher