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Stachel der Erinnerung

Stachel der Erinnerung

Titel: Stachel der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Henz
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von den Ketten und schwenkte sie im klaren Wasser. Das Silber blieb schwarz, aber die Runen waren besser zu erkennen. Später würde sie eine Abschrift anfertigen.
    „Mit wichtigeren Dingen meine ich mich“, fuhr Hendrik fort. „Glaub nicht alles, was Berit dir erzählt. Ich bin ein ganz braver Junge.“ Er schenkte ihr einen schmelzenden Augenaufschlag. „Davon kannst du dich gerne selber überzeugen.“
    Tessa lächelte. „Vielleicht bin ich aber kein braves Mädchen.“
    „Das würde mich ganz und gar nicht stören. Yin und Yang oder Gegensätze ziehen sich an“, antwortete er eifrig und erwiderte ihr Lächeln.
    Er gefiel ihr immer besser. Sein Witz lag auf ihrer Ebene, er war auf angenehme Weise aufdringlich – wenn es so etwas überhaupt gab – und falls sie auf seine Avancen letztlich doch nicht eingehen würde, dann wäre er auch nicht in seiner Eitelkeit getroffen. Oder nachtragend. Berit schätzte ihn bestimmt falsch ein. Er kümmerte sich um seine Männer und führte das ganze Projekt souverän und ohne zu zögern. Außerdem besaß er eine eigene Firma, was erneut auf seine Fähigkeit hinwies, Verantwortung zu tragen. Sie konnte ihn sich gut vorstellen, wie er sich mit Kindern auf der Wiese balgte.
    Die Ketten klirrten und brachten ihr zu Bewusstsein, wohin sich ihre Gedanken verirrt hatten. Die Richtung war falsch. Falsch. Falsch. Sie wusste es und trotzdem passierte es immer wieder. Mit einer heftigen Bewegung griff sie nach dem leeren Eimer und spülte ihn aus. Als er sauber war, hob sie die nassen Ketten hinein. Sie spürte, wie Hendrik sie beobachtete und wünschte, er würde es nicht tun. Mit eckigen Bewegungen wischte sie ihre Hände an den Jeans ab. Erst jetzt merkte sie, dass sie wegen der Kälte des Wassers ganz rot geworden waren.
    Ehe sie es verhindern konnte, hatte Hendrik nach ihnen gegriffen und hielt sie fest. Seine Hände waren warm, obwohl auch er im Wasser gearbeitet hatte.
    „So kalt“, murmelte er, und ehe sie es sich versah, lagen seine Lippen auf ihren. Sie fühlten sich fest und lebendig an. Tessa entspannte sich. Seine Hände massierten ihre Finger, brachten sie zum Kribbeln wie den Rest ihres Körpers. Sehnsucht erwachte in ihr. Sehnsucht nach all den Dingen, die sie haben wollte, die sich aber immer dann ihrem Zugriff entzogen, wenn sie dachte, sie hätte sie endlich erreicht.
    Tessa ließ ihre Hände über Hendriks Arme wandern und schlang sie dann um seinen Hals. Sie war es, die den Kuss intensivierte, sie attackierte seinen Mund mit ihrer Zunge und vergrub die Finger in seinem Haar. Energie floss durch sie wie helles Licht und ließ das Blut in ihren Adern pochen. Hör nicht auf, schrie sie in Gedanken. Hör nicht auf, mach, dass es nicht aufhört, nie mehr, nie mehr!
    Aber irgendwann war der Kuss zu Ende und Hendrik löste sich schwer atmend von ihr. Seine Augen hatten die Farbe von dunklem Samt. „Wer hätte das gedacht, ein Vulkan unter einer glatten, unbewegten Oberfläche.“ Er nahm ihr Gesicht in seine Hände. „Und was machen wir jetzt?“
    Sie sah ihn mit verschleiertem Blick an und bemühte sich, ihren Verstand in Gang zu setzen. „Die Ketten …“, stammelte sie.
    „Vergiss die Ketten.“ Er küsste sie wieder. „Mich interessieren im Moment nur Ketten, mit denen ich dich an mein Bett fesseln kann.“
    Der Gedanke war zwar natürlich vollkommen abwegig, aber andererseits … Tessa kicherte, als Hendrik anfing, die Stelle hinter ihrem Ohr zu küssen. Ihr Ohr samt Umgebung gehörte nicht zu ihren erogenen Zonen, sondern löste nur einen unbezwingbaren Lachreiz aus. Und der brachte ihren Verstand zurück.
    „Wenn jemand gefesselt wird, dann du“, entgegnete sie, ohne zu zögern.
    „Mir ist alles recht, solange es zwischen uns beiden bleibt.“ Er grinste und ließ sie los. „Heute Nacht?“
    „Geduld gehört nicht zu deinen Stärken.“
    „Richtig. Aber du kannst jederzeit eine Demonstration meiner anderen Stärken haben. Am besten – heute Nacht.“
    Tessa seufzte. Nicht, dass sie völlig abgeneigt war, doch so schnell hüpfte sie für gewöhnlich nicht mit einem Mann in die Kiste.
    „Ich überleg es mir“, sagte sie deshalb abweisender, als sie wirklich wollte.
    „Überleg nicht zu lange.“ Er grinste sie ohne ein Zeichen von Verstimmung an und nahm den Eimer. Gemeinsam gingen sie zurück. Tessa versuchte ihre Gedanken auf die Ketten zu lenken und nicht auf Hendriks Einladung zum Frühstück. Bisher hatte sie immer die übliche Reihenfolge

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