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Stachel der Erinnerung

Stachel der Erinnerung

Titel: Stachel der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Henz
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wird mich finden. Ganz sicher.“
    Tessa fragte sich ernsthaft, ob es in dieser Zeit ein Pendant zur „Gartenlaube“ gab oder ob tatsächlich ein kollektives, ewig währendes Bewusstsein des weiblichen Teils der Menschheit für fehlgeleitete Entscheidungen bei der Partnerselektion existierte. Das würde so manches erklären, nicht nur in der Zeit der Wikinger, sondern auch in der ferneren Zukunft.
    „Hast du es ihm schon gesagt?“
    „Nein, er hat noch so viele Überraschungen für mich parat, die muss ich wohl alle abarbeiten“, sagte Meldis mit schicksalsergebenem Seufzen.
    Tessa schwieg. Ihr Plan schien nicht aufzugehen. Sie fragte sich, ob es im Moment Sinn hatte, ein paar Lobeshymnen über Serre zu singen und entschied sich dagegen. In der augenblicklichen Stimmung würde das Meldis vermutlich nur zu der Antwort motivieren: „Schön, dann wird er ja keine Probleme haben, eine Frau zu finden.“
    Sie machten sich für die Nacht zurecht, und während sich Meldis in die weichen Daunen kuschelte, legte sich Tessa auf die mit Fellen bestückte Holzbank und deckte sich mit der Wolldecke zu. Der Tag war anstrengend gewesen und sie schlief prompt ein.

zweiundzwanzig
     
    Nick schloss die Tür des Badehauses und machte sich auf den Weg zu seinem Haus. Eine Stunde im warmen Wasser zu verbringen, war zwar angenehm gewesen, brachte ihm aber weit weniger Entspannung, als er angenommen hatte. Er konnte seine Gedanken nicht von dem Offensichtlichen lösen und das Offensichtliche war die Tatsache, dass er bei Meldis auf Granit biss. Nichts, was er versuchte, zeigte Wirkung. Sie blieb desinteressiert, bei allem, was er tat. Und das verunsicherte ihn mehr, als ihm lieb war, denn im Grund genommen hatte er nicht die geringste Ahnung, wie er um eine Frau kämpfen sollte. Diese Frage hatte sich ihm nie gestellt.
    Er setzte sich neben einen der Holzpfosten und starrte in die Flammen, die Tag und Nacht in der Herdstelle flackerten. Das Feuer mit seinem leisen Knistern hatte genau jenen meditativen Effekt, den er jetzt brauchte, um mit seinen Gedanken in die Vergangenheit einzutauchen.
    Mit zwanzig hatte er Astrid kennengelernt. Davor hatte er keine festen Beziehungen gehabt, ein paar One Night Stands, wenn es sich eben ergab. Als Sohn eines amerikanischen Diplomaten und einer deutschen Mutter war er zwar in einem multikulturellen Umfeld aufgewachsen, aber nie lange genug an einem Ort geblieben, um tiefe Freundschaften zu schließen, geschweige denn zu pflegen.
    Und mit Astrid war alles ganz einfach gewesen. Getroffen hatten sie sich zum ersten Mal in Oslo bei einer Studentenparty. Ein Blick und damit war die Sache gelaufen. Kein Balzen, kein Radschlagen, kein metaphorisches Auf die Brust Trommeln. Die Übereinstimmung, die Seelenverwandtschaft zwischen ihnen war vom allerersten Moment an spürbar gewesen. Sie fühlten sich, als hätten sie sich schon immer gekannt, da war kein Zögern, keine Fremdheit. Sie begannen zu reden und merkten erst im Morgengrauen, dass sie die ganze Nacht damit verbracht hatten. Von da an sahen sie sich jeden Tag und sie heirateten einen Monat, nachdem er sein Diplom in Händen hielt. Er fand eine Stelle an der Universität von Manchester und Astrid beendete ihr Germanistikstudium. Statt zu unterrichten, nahm sie eine Stelle in einem Hotelkomplex an. Da sprach sie auch zum ersten Mal davon, eine eigene Pension haben zu wollen. Das Torget Sjøhus fand sie im Internet, wo es als renovierungsbedürftige Ruine um einen Spottbetrag zum Verkauf stand. Er ließ sich sein Erbteil auszahlen, Astrid kündigte ihren Job und gemeinsam machten sie sich daran, die Pension herzurichten. Im Sommerhalbjahr wollten sie auf Bjørendahl leben, das Studienjahr über in Manchester. Während sie diese Pläne schmiedeten, verschlechterte sich Astrids Gesundheitszustand, sie musste jeden zweiten Tag ans Dialysegerät angeschlossen werden. Er überzeugte sie schließlich, sich eine seiner Nieren einsetzen zu lassen, da ihre Gewebeproben kompatibel waren. Die Operation verlief komplikationslos und zwei Jahre lang schien es, als hätten sie dem Schicksal ein Schnippchen geschlagen. Und dann hatte Astrid einfach tot in ihrem Bett gelegen. Die Obduktion hatte Nierenversagen ergeben. An ihrem Grab stehen zu müssen, war das Schlimmste, was er jemals erlebt hatte. Vollgepumpt mit Beruhigungsmitteln stand er zwischen seinen Eltern und Astrids Familie – alle Beileidsbezeugungen rauschten an ihm vorbei. Astrid wurde im Familiengrab

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