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Stachel der Erinnerung

Stachel der Erinnerung

Titel: Stachel der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Henz
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lag der müde Abklatsch eines Lächelns.
    Nick sagte etwas zu ihr, worauf sie nur mit den Schultern zuckte. Er wandte sich ab und da er keine zehn Meter mehr entfernt war, entging Tessa nicht das zornige Aufblitzen seiner Augen. Die drei Zöpfchen hingen ihm wieder ins Gesicht, aber sie bezweifelte, dass Meldis ihm in einem Anfall unbezwinglicher Leidenschaft die Haare zerwühlt hatte.
    Die beiden Reiter kamen bei ihr an und sie erhob sich. „Wie schön, dass ihr wohlbehalten wieder zurück seid“, begrüßte Tessa sie aufgeräumt.
    Nick sprang vom Pferd und half Meldis beim Absteigen.
    „Ich danke dir, Serre, für diesen aufregenden Tag“, sagte sie höflich und machte einen Schritt von ihm weg, sobald ihre Füße den Boden berührten.
    „Ich werde morgen mit dem Jarl den Termin für das nächste Thing festsetzen. Außerdem muss bestimmt werden, wer als Bote zum König geschickt wird. Wir können uns erst abends sehen“, teilte er ihr in einem Ton mit, der eher nach einem viel beschäftigten Manager klang als nach einem auf Freiersfüßen wandelnden Liebhaber.
    Tessa blickte Meldis gespannt an, ob sie eine Einladung zum Essen aussprechen würde, aber sie tat nichts dergleichen, sondern nickte nur vollkommen gleichgültig.
    „Dann wünsche ich dir eine gute Nacht, Meldis“, sagte Serre.
    Tessa runzelte erstaunt die Stirn, denn Serres Stimme klang – erleichtert. Sie hob die Brauen, aber er reagierte nicht, sondern fügte im gleichen Ton hinzu: „Auch dir, Alva.“
    Damit drehte er sich um, stieg auf sein Pferd, nahm das andere an den Zügeln und ritt den Weg zurück, den er gekommen war.
    Während ihm Tessa nachschaute, war Meldis schon ins Haus gegangen. Mehr Desinteresse konnte man nicht mehr demonstrieren.
    „Was war los?“ Tessa schloss die Tür und hob den Umhang auf, den das Mädchen achtlos fallen lassen hatte.
    „Nichts. Hast du etwas gekocht?“, fragte Meldis und blickte sich suchend um.
    „Fladenbrot und saure Sahne. Ich dachte, du würdest mit Serre essen“, fügte sie unschuldig hinzu.
    Meldis hob das Tuch vom Brotkorb und nahm einen Streifen Dörrfleisch von der Wand. „Nein, er wollte zwar, aber ich hatte keine Lust dazu.“
    Tessa setzte sich auf einen Hocker und blickte Meldis an, die das Dörrfleisch in kleine Stücke schnitt. „Was hat er denn getan?“ fragte sie ungeduldig.
    „Nichts.“
    Tessa vergrub ihre Hand unter dem Überkleid, ballte sie zur Faust und betete um Geduld.
    „Also wirst du ihn heiraten“, stellte sie mit einem provozierenden Unterton fest.
    „Ganz bestimmt nicht. Ich mag ihn nicht. Er macht mir Angst, er …“ Meldis betrachtete die Dörrfleischstreifen, als verberge sich darin ein Orakel, das ihr die Zukunft voraussagen konnte.
    „Womit macht er dir Angst?“ Tessa zwang sich zur Ruhe. „Hat er sich in eine Schlägerei verwickeln lassen? Hat er dich geohrfeigt oder sonst wie angegriffen?“
    „Nein, aber …“ Meldis kaute auf dem Fleisch herum und ließ sich Zeit mit der Antwort. „… er hat eine Art mich anzusehen, als wollte er mich im nächsten Augenblick auffressen. Mit Haut und Haar.“
    Tessa starrte sie an und versuchte ihre Worte zu interpretieren. Meinte sie auffressen aus Leidenschaft oder erwürgen aus Frustration?
    „Wenn er möchte, dass du seine Frau wirst, ist es doch normal, dass er dich so ansieht, oder?“, fragte sie vorsichtig.
    „Ach, ich weiß nicht. Außerdem ist er langweilig. Wir haben an einem See Rast gemacht und er hat mir irgendwelche Geschichten erzählt, von fernen Ländern und ihren Bewohnern. Ich wäre fast eingeschlafen.“
    Langweilig? In einer Minute fand sie Serre zum Fürchten, in der nächsten war er auf einmal langweilig?
    „Also fürchtest du dich nicht mehr vor ihm? Hältst du ihn nicht mehr für jähzornig und gewalttätig?“ Tessa konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme mildes Erstaunen ausdrückte.
    „Möglicherweise bemüht er sich, sich zu beherrschen.“ Sie sah Tessa argwöhnisch an. „Du hast ihm doch nicht etwa erzählt, was ich von ihm halte?“
    „Ich? Nein. Keine Silbe.“ Tessas Wangen wurden warm, und sie betete, dass es im Zwielicht des Raumes nicht auffiel.
    „Auch gut. Aber ich will ihn nicht heiraten. Ich will nicht hier leben und ich will nicht, dass er mir zu nahe kommt. Ich will einen Mann, der mir gefällt und dem ich vertrauen kann.“
    „Und wie stellst du dir diesen Mann vor? Und wo willst du ihn finden?“
    „Wenn ich ihn sehe, werde ich wissen, dass er es ist. Und er

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