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Stachel der Erinnerung

Stachel der Erinnerung

Titel: Stachel der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Martin
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hast
recht, Vi, dieses hier ist perfekt.« Einen Augenblick lang blieb sie stehen und
betrachtete ihr Spiegelbild, eine große, schlanke Frau mit hohen, festen
Brüsten, einem feingeschnittenen Gesicht und frischgewaschenem blondem Haar.
    Selbst
jetzt war es kaum zu glauben, daß diese bezaubernde junge Frau, die ihr aus dem
Spiegel entgegenschaute, wirklich Jessie Fox war, das früher so schmutzige
kleine Gör, das durch die Straßen von Bucklers Haven gestreift war. Die arme,
bemitleidenswerte
kleine Jessie, so hatten die Leute aus der Stadt sie genannt. Sie lebte im
Unrat, und niemand kümmerte sich um sie.
    Nichts als
die Tochter einer Hure.
    Jessie
fühlte Vis Hand auf ihrer Schulter, und als sie sich zu ihr umdrehte, sah sie
den Ausdruck von Zärtlichkeit im Gesicht der älteren Frau. »Es wird schon alles
gutgehen, Liebes, du wirst es sehen. Du bist nicht mehr so, wie du früher
einmal warst.«
    Jessie
schmiegte sich in Vis Arme und lehnte den Kopf an die Schulter der kräftigen
Frau, das wunderschöne Kleid zerdrückten sie zwischen sich. »Er ... er weiß,
wer ich bin, Vi. Er kennt mich, von früher. Was ist, wenn er ...«
    »Er kennt
dich nicht wirklich – nicht mehr. Du bist nicht länger das arme, kleine,
zerlumpte Kind, das du früher einmal warst. Du bist jetzt das Mündel des
Marquis von Belmore. Und dank Seiner Gnaden hast du eine feine Erziehung
genossen. Du bist genauso gebildet wie eine richtige Lady, und die bist du
auch.« Die ältere Frau legte ihr einen Finger unter das Kinn. »Nicht das, wohin
du geboren bist, zählt, sondern das, was du aus dir gemacht hast.« Sie wischte
Jessie eine einzelne Träne von der Wange. »Denke immer daran, Liebes, dann wird
alles gutgehen.«
    Jessie
vermied es, sie anzusehen. »Ich weiß, es ist dumm, Vi, aber ich habe Angst. Ich
kann mich nicht erinnern, eine solche Angst gehabt zu haben, seit der Nacht, in
der dieser schreckliche Mann Mama im Gasthaus beinahe zu Tode geprügelt hat.«
    Vi strich
ihr über das Haar. »Das ist schon eine sehr lange Zeit her, Liebes. Du brauchst
dich jetzt nicht mehr zu fürchten. Papa Reggie wird sich schon um den Kapitän
kümmern. Er wird sich um alles kümmern, genauso, wie er es seit dem ersten Tag
getan hat, an dem du hierhergekommen bist.«
    Als Jessie
an die Freundlichkeit des alten Mannes dachte, holte sie tief Luft. »Du hast
recht, Vi.« Sie löste sich aus den Armen der Freundin und legte das Kleid
vorsichtig auf das Bett. »Es ist nur so, daß ich von Herzen möchte, daß alles
richtig ist. Der Sohn
des Marquis hat mich schon seit Jahren nicht mehr gesehen, doch er wird sich
ganz bestimmt an den Tag erinnern, als...«
    Sie hielt
inne und versuchte, nicht mehr an ihre letzte Begegnung mit ihm zu denken.
Immerhin war es einer der entwürdigendsten Augenblicke ihres ganzen Lebens
gewesen. Wenn sie nur daran dachte, wie undiszipliniert sie mit zwölf Jahren
gewesen war – und an die Konsequenzen, die ihr Benehmen ihr damals eingetragen
hatte –, stieg heiße Röte in ihr Gesicht.
    Sie beugte
sich vor und strich das Kleid glatt. »Vielleicht hätte ich es bügeln lassen
sollen. Es hängt schon eine ganze Weile im Schrank. Es wäre vielleicht nötig,
daß ...«
    »Das Kleid
sieht hübsch aus.«
    »Vielleicht
sollte ich läuten, damit man mir ein Bad einläßt.« Sie blickte zu dem
Klingelzug und trat nervös von einem Fuß auf den anderen. »Papa Reggie hat mich
gebeten, nicht zu spät zu kommen. Er sagt, der Graf wird um sechs Uhr erwartet,
und er ist immer pünktlich.«
    Vi lachte,
und dabei hüpfte ihr Doppelkinn. »Bis dahin sind es noch Stunden, mein
Lämmchen. Ich bin sicher, Seine Lordschaft wird beizeiten hier sein, immerhin
ist er ein Seemann. Aber du wirst erst um acht Uhr beim Abendessen mit ihm zusammentreffen,
und bis dahin hast du noch viele Stunden Zeit. Du bist schon den ganzen Tag
über wie ein Wirbelwind herumgelaufen. Warum legst du dich nicht ein wenig
hin? Ich lasse dir vom Koch ein Tablett vorbereiten, und wenn du dann aufwachst
...«
    Es klopfte
laut an der Tür, und Vi verschluckte den Rest des Satzes. Sie murmelte etwas
vor sich hin, dann ging sie über den dicken Perserteppich zur Tür und öffnete.
Samuel Osgood, der große, stattliche Butler, stand davor.
    »Es tut mir
schrecklich leid, Mrs. Quinn, daß ich hier so hereinplatze, aber unten ist
eine Frau, die verlangt, Miss Jessica zu sehen. Ich habe ihr erklärt, daß Miss
Fox heute nachmittag nicht abkömmlich ist, aber sie scheint

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