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Stachel der Erinnerung

Stachel der Erinnerung

Titel: Stachel der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Martin
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habt.«
    »Ich weiß
nicht, warum sie gerade an diesem Tag dort war, und es ist mir auch
gleichgültig. Alles, was ich weiß, ist, daß sie seit diesem Tag jeden Morgen an
dieser Stelle auf mich gewartet hat, und ich habe mich immer auf unsere
Begegnungen gefreut. Wenn Jessica in meiner Nähe war, brachte sie Leben und
Freude in meine Welt. Sie hat den Funken wieder entzündet, der in mir zu
erlöschen drohte. Sie hat mich aus der Dunkelheit herausge führt und hat mir
den Wunsch zurückgegeben zu leben. Als sie mich dann bat, ihr zu helfen – als
sie mir gestand, daß es ihr Traum war, eine Lady zu werden –, da bereitete es
mir die größte Freude, ihr diesen Wunsch zu erfüllen.«
    Matthew
dachte an die schmutzige kleine Göre, die ihn bei jeder Gelegenheit
herausgefordert hatte. Er hatte sie bei den verschiedensten Gelegenheiten
weggejagt, doch war sie immer wiedergekommen, entschlossen, ihn zu ärgern –
obwohl er sich mit hämischem Vergnügen an den Tag erinnerte, an dem er es der
kleinen Hexe heimgezahlt hatte.
    Im Alter
von fünfzehn Jahren war sie eine zerlumpte kleine Diebin gewesen, die die
Trauer seines Vaters ausgenutzt und einen Weg gesucht hatte, sich seine
Zuneigung zu erschleichen. Das würde Matt ihr niemals verzeihen, und wenn er
erst einmal wieder für immer zu Hause war, würde er schon dafür sorgen, daß
dieses Mädchen seinen Vater nicht länger ausnutzte.
    Ein leises
Lachen unterbrach seine Gedanken.
    »Du wirst
sie nicht mehr wiedererkennen, da wette ich mit dir. Sie ist eine ausnehmend
hübsche Frau geworden.«
    Matthew
zwang sich zu einem Lächeln. »Willst du etwa behaupten, daß sie aufgehört hat,
mit Dreck und faulem Obst zu werfen? Sie ist nicht länger diese kleine
Taschendiebin, die unvorsichtige Reisende um ihr hart verdientes Geld
erleichtert?«
    Matthews
Vater runzelte die Stirn. »Dieser nichtsnutzige Halbbruder von ihr war der
eigentliche Übeltäter. Jessica ist lebhaft, das stimmt, aber sie hat ein viel
zu weiches Herz, um wirklich böse zu sein. In den letzten vier Jahren ist sie
zu einer wunderschönen, intelligenten jungen Frau herangewachsen. Wenn du ihr
auch nur die kleinste Möglichkeit gibst, dir das zu beweisen, dann wirst du
sehr schnell verstehen, was ich meine.«
    Matthew
betrachtete eingehend das Gesicht seines Vaters. Reginald Seaton war einmal ein
großer, robuster Mann gewesen. Doch in den Jahren, seit Matt von zu Hause weg
war, hatte den Marquis seine Kraft verlassen. Er besaß noch immer eine
Löwenmähne schneeweißen Haares mit dicken Koteletten, doch in den
weißen Kissen sah er blaß aus, und seine Wangen waren eingefallen.
    Matthew
hielt sich zurück. Mit Jessica Fox würde er sich später auseinandersetzen.
Zunächst einmal ging die Gesundheit seines Vaters vor. Er würde alles tun, was
der alte Herr von ihm verlangte.
    »Ich weiß,
das Mädchen hat sich deine Unterstützung gesichert, Vater. Ich bin mit dem,
was sie getan hat, nicht einverstanden. Wenn es dich jedoch glücklich macht,
dann werde ich mich damit abfinden.«
    Der Marquis
sah erleichtert aus. »Dann wirst du sie also auch mit dem angemessenen Respekt
behandeln?«
    Matt
nickte. Was war der angemessene Respekt für die Tochter einer Dirne? Kein
großer, überlegte er. »Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest, dann möchte
ich mich darum kümmern, daß mein Pferd anständig untergebracht ist.« Er sah
den Grafen von Belmore Hall an, merkte, daß sich die Augen des alten Herrn
geschlossen hatten, und Matthews düsterer Gesichtsausdruck wurde sanft.
    »Ruh dich
aus, Vater.« Er nahm die Hand des alten Herrn und drückte sie. »Ich freue mich
darauf, dich und ... und dein Mündel beim Abendessen zu sehen.«
    Mit diesen
Worten ging er.
    Jessie blickte zur Sonne, die als
feuriger, orangeroter Ball über dem Horizont hing. Es dämmerte bereits, und sie
saß auf dem Rücken ihres Pferdes, klammerte sich an der Mähne ihrer kastanienbraunen
Stute fest und drängte sie zu immer wilderem Galopp. Dicke Erdbrocken flogen
unter den Hufen des Pferdes auf und blieben an Jessies Hose und an ihrem Hemd
hängen, die schon schmutzig geworden waren, als sie durch die Felder zu Annes
Haus geritten war.
    Sie hatte
gehofft, daß es nicht so lange dauern würde, doch das Baby hatte sich Zeit
gelassen, und der Arzt war erst sehr spät eingetroffen. Jetzt wollte sie mit
ihrem rasenden Tempo ein bißchen der verlorenen Zeit aufholen.
    Herzklopfend
beobachtete sie den langsam hinter dem Horizont versinkenden

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