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Stachelzart

Stachelzart

Titel: Stachelzart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasmin Wollesen
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Taschentuch mit Spucke und ohne, dass ich wusste, wie mir geschah, wischte sie mir damit durchs Gesicht.
    „Pfui Teufel, Vera. Ich bin doch keine vier Jahre mehr“, schimpfte ich und rubbelte mir mit meinem Jackenärmel die Spucke aus dem Gesicht.
    „Jetzt hast du es wieder schlimmer gemacht“, stöhnte Vera. „Na egal, wir beide würden gerade sowieso keinen Schönheitswettbewerb gewinnen.“
    Das stimmte. Ich sah vermutlich wie ein obdachloser Bleistift aus mit meinen durchnässten schlammbespritzten Klamotten. Aber auch Vera machte in ihren Matsch-Monster-Stiefeln nicht mehr so viel her, wie zu Beginn unserer Fahrt.
    Die Haustüre schwang so plötzlich auf, dass Vera und ich erschrocken zurück zuckten.
    „Na, wen haben wir denn da? Habt ihr euch verlaufen?“ Ein Mann stand im Türrahmen und musterte uns skeptisch.
    Der sieht aber ganz anders aus, als der Almöhi, dachte ich.
    In der Tat hatte der Hütten-Mann eher Ähnlichkeit mit einem berühmten Politiker. Er wirkte durchtrainiert, hatte eine gesunde braune Gesichtsfarbe, die er wahrscheinlich von der vielen frischen Luft in den Bergen bekommen hatte und volles graumeliertes Haar. Auch seine Kleidung war nicht so, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Ich hatte ein Bild von einem grauhaarigen Mann in Gummistiefeln, Latzhose und Holzfällerhemd im Kopf gehabt. Dieses männliche Exemplar war zwar durchaus praktisch gekleidet, machte in seinen Klamotten aber dennoch etwas her. Die ausgewaschene Jeans, der Wollpullover mit Lederflecken an den Ellbogen und die Timberlands standen ihm wirklich gut. Auf der Nase trug er eine moderne schwarze Brille, dahinter fixierten uns ein Paar blau-graue Augen. Ich konnte mir gut vorstellen, dass er einmal in einer hohen Managerposition gearbeitet hatte. Er strahlte eine große innere Ruhe aus und wirkte sehr souverän.
    Na, da bin ich aber mal gespannt, wie Vera mit dem klar kommt, dachte ich und musste grinsen.
    An Veras verdutztem Gesichtsausdruck konnte ich erkennen, dass sie wohl auch ein anderes Bild von unserem Almöhi gehabt hatte. Wahrscheinlich hatte sie sich, genau wie ich, einen etwas derberen älteren Senior mit Rauschebart vorgestellt. Dieser Typ aber schien selbst auf Vera Eindruck zu machen.
    „ Ähem, also eigentlich haben wir uns nicht verlaufen. Wir wollten zu Ihnen“, informierte Vera den erstaunten Mann. „Sie sind doch Samuel Wagner, oder?“
    „Ja, der bin ich. Und wer bitte schön sind Sie?“, wollte Herr Wagner wissen.
    „Mein Name ist Vera Schneider und ich habe ein interessantes Angebot für Sie. Aber könnten wir vielleicht erst einmal reinkommen? Unser Wagen ist auf dem Weg zu Ihnen steckengeblieben und wir sind den ganzen restlichen Weg zu Fuß gegangen. Wir könnten jetzt wirklich einen heißen Tee vertragen!“
    Eines musste man Vera wirklich lassen, sie war nur sehr selten sprachlos. Anscheinend wollte sie uns erst einmal Zutritt zu der Hütte verschaffen und dann sprichwörtlich die Katze aus dem Sack lassen. Wahrscheinlich war das auch besser so, denn ob Herr Wagner uns nach der Unterbreitung des Angebots noch hereingebeten hätte, hielt ich für fraglich. Mir waren momentan alle Mittel recht um der Nässe zu entkommen und ein warmes Getränk zum Aufwärmen klang himmlisch.
    „Hmm“, brummelte Herr Wagner nicht sehr freundlich, trat aber ein Stück zur Seite. „Und wer sind Sie junge Dame?“, fragte er dann und betrachtete mich kritisch.
    „Das ist Anna, meine Tochter“, antwortete Vera an meiner Stelle.
    „Die übrigens auch selber sprechen kann. Hallo Herr Wagner, ich hoffe wir stören nicht zu sehr“, flötete ich und reichte ihm meine Hand.
    „Ha, Sie sind ja sehr direkt“, Herr Wagner zwinkerte mir zu. „Na, dann kommen Sie mal rein. Aber viel Auswahl an Teesorten gibt es bei mir nicht!“ Er öffnete die Türe ganz und ließ uns eintreten.
    „Anna, benimm dich bitte“, zischte Vera, als sie sich an mir vorbei schob. „Denk daran, der Termin ist wirklich wichtig für mich!“
    Das war eine klare Ansage. Vorbei war es also mit unserer kurzen Harmonie-Zeit. Ich folgte Vera in das Innere der Hütte. In dem winzigen Flur entledigten wir uns unserer dreckigen Schuhe und feuchten Jacken. Anschließend gingen wir in die Wohnstube. Überrascht blickte ich mich um. So rustikal die Hütte von außen auch wirkte, sie war innen sehr geschmackvoll eingerichtet. Dicke hellgraue Teppiche bedeckten den Dielenboden, eine dunkelgraue Sitzgruppe mit vielen Kissen in Flieder- und

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