Stachelzart
Buch?“, die Gastwirtin stand plötzlich mit den Getränken vor uns und hatte Veras letzten Satz aufgeschnappt.
„Sie versucht es zumindest!“, entgegnete Vera.
„Was für ein Buch schreiben sie denn?“, fragte die Gastwirtin interessiert.
„Einen Liebesroman“, antwortete ich und warf Vera einen bösen Blick zu.
„Das ist ja spannend! Haben Sie denn schon ein Buch auf dem Markt oder wird das Ihr erstes?“, wollte die Gastwirtin wissen.
„Na, eins hat sich sogar ganz gut verkauft. Es heißt „Zuckersüß“. Das zweite Buch war nix und jetzt schreibt sie gerade an ihrem dritten Buch!“, antwortete Vera an meiner Stelle.
Welch nette Zusammenfassung meiner schriftstellerischen Tätigkeit, dachte ich erbost. Das war wohl Veras Retourkutsche dafür, dass ich vorhin bei ihrer Bemerkung die Augen verdreht hatte.
„Nein! Sie sind Anna Schneider, die Autorin? Ich habe Zuckersüß gelesen. So ein tolles Buch! Und Sie schreiben ein Neues, ja? Das wird bestimmt auch großartig. Würden Sie mir mein Exemplar von Zuckersüß signieren? Ich habe es oben in unserer Privatwohnung. Ich gehe es schnell holen.“ Ohne meine Antwort abzuwarten, verschwand die Gastwirtin in den Flurbereich.
„Na, vielen Dank auch!“, sagte ich zu Vera.
„Wieso?“, meinte diese ganz unschuldig. „Steh doch zu deinem Job. Die Frau will immerhin ein Autogramm von dir!“
Ich verkniff mir zum gefühlt zwanzigsten Mal eine böse Antwort und griff stattdessen zu den Brötchen und der Nutella. Stufe 2 auf der Genervtheitsskala war erreicht und ich brauchte dringend etwas Schokoladiges.
Schweigend kaute ich mein Brötchen. Als ich es fast aufgegessen hatte, stand die Gastwirtin mit einem Exemplar von Zuckersüß vor mir.
„Wären Sie so lieb?“, fragte sie und reichte mir das Buch.
„Wie heißen Sie denn?“, erkundigte ich mich.
„Maria“, antwortete sie.
Für Maria,
einer besonders treuen Leserin!
schrieb ich und setzte meine Unterschrift unter den Text.
„Vielen, vielen Dank!“, freute Maria sich. „Verraten Sie mir, wovon Ihr nächstes Buch handelt?“
„Na, das weiß sie selbst noch nicht. Sie hat eine Schreibblockade!“, mischte sich Vera ein. Scheinbar passte es ihr ganz und gar nicht, dass ich im Mittelpunkt des Interesses stand.
„Oh, das tut mir leid! Ich wünsche Ihnen trotzdem viel Erfolg. Und ich werde Ihr Buch auch lesen, wenn es erschienen ist. Jetzt, da ich sie persönlich kenne!“ Diskret zog Maria sich wieder zurück.
„Vera, es reicht jetzt!“, zischte ich.
„Was denn? Ich sage doch nur die Wahrheit. Reg dich doch nicht so auf, davon bekommt man hässliche Zornesfalten auf der Stirn!“
„Zum Kuckuck mit deinen Falten!“, knurrte ich und schmierte mir noch ein Nutella Brötchen.
Eine dreiviertel Stunde später waren wir wieder auf der Autobahn unterwegs. Vera hatte, wie angekündigt, das Steuer an sich gerissen. Stillschweigend hatten wir beide beschlossen, die Kommunikation miteinander vorerst einzustellen. Ich saß auf dem Beifahrersitz und blätterte in einem von Veras Klatschmagazinen. Vera tippte während des Fahrens eine E-Mail auf ihrem Handy. Das war momentan gar nicht mal so gefährlich, da wir wieder nur im Schneckentempo vorankamen. Die Wetterlage und die Sichtverhältnisse waren unverändert gruselig. Ich dachte kurz über die Warnung von Herrn Zeisig nach, die Berge bei diesem Wetter zu meiden und darüber, was er über Erdrutsche erzählt hatte. Na, wer weiß, wo er das gelesen hat , beruhigte ich mich selber. Bestimmt in irgend so einer Boulevardzeitung.
Ich musste gähnen. Die Müdigkeit steckte mir in den Knochen. Mehr als zwei Stunden Schlaf hatte ich diese Nacht wahrscheinlich nicht bekommen. Da half auch kein Kaffee.
Das Prasseln des Regens, das Schaukeln des Autos beim Fahren und die seichte Klatsch-Lektüre lullten mich ein und innerhalb kürzester Zeit war ich eingeschlafen.
„So ein verdammter Mist!“, fluchte Vera.
Ich schreckte hoch. Verschlafen rieb ich mir die Augen. „Was ist denn los?“
„Wir stecken fest. Das ist los!“, erwiderte sie genervt.
Ich rieb mir die Ohrläppchen. Ein alter Trick von mir, um wach zu werden. Dann sah ich aus dem Fenster. Scheinbar hatte ich ganz schön lange geschlafen, denn wir befanden uns bereits auf einer Bergstraße oder besser einem Feldweg, denn befestigt schien diese Straße nicht zu sein. Der Regen hatte den Untergrund in eine riesige Schlammpfütze verwandelt und die Vorderreifen von
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