Stadt Aus Blut
lasse mich auf einem freien Stück Gehweg fallen, direkt zwischen einem zerfetzten Zelt und einem großen Pappkarton, der mit Plastikfolien überzogen ist. Die ganze Welt ist eine einzige Achterbahn. Ich lege mich hin und rolle mich zu einem Knäuel zusammen, den Rücken gegen die Gitterstäbe vor einem Kellerfenster gepresst. Als ich mein Gesicht mit den Händen bedecke, rieche ich es wieder.
Ich kenne den Geruch an meinen Händen.
Ich stecke tief in der Scheiße.
Als ich aufstehen will, schließen sich meine Augen gegen meinen Willen.
Ein Monster brüllt. Ich öffne meine verklebten Augen und sehe verschwommen einen Trupp dünner Gestalten mit schwarzen Hüten auf mich zu donnern. Die Geister der Vergangenheit.
Der Fahrtwind peitscht mir den Schlaf aus den Augen. Das Röhren von gut einem Dutzend Harleys hallt von den Gebäuden an der Fifth Avenue wider und zerreißt die frühmorgendliche Stille. Ich klammere mich hinten an der Lederjacke des Anführers fest und sehe, wie um mich herum die Dusters ihre Bikes nach Downtown jagen. Verdammt, wie schaffen sie es nur, bei der Geschwindigkeit ihre seltsamen Zylinder auf dem Kopf zu behalten?
Terry hat mir die Dusters geschickt.
Nach unserem Bad waren Evie und ich ins Bett gegangen und erst um zwei Uhr mittags wieder aufgewacht. Evie hatte uns etwas zu Essen aus dem Odessa Diner bestellt, und wir hockten uns aufs Bett, um es dort zu verzehren. Danach wusch ich mir noch einmal die Haare, um endlich den Geruch von Leprosys Blut loszuwerden. Half nicht viel – der Gestank von Blut ist hartnäckig. Evie schob Faustrecht der Prärie in den DVD-Player, um mich abzulenken. Ich saß neben ihr, starrte auf den Bildschirm und kriegte gar nichts mit. Ich dachte nach und konnte kaum die nächste Nacht abwarten. Wenn nur endlich die Sonne unterginge, dann könnte ich mich auf den Weg machen und jemanden umlegen. Dann kam der Anruf – diesmal sollte ich mich mit dem Herrn des Hauses Horde im Cole treffen.
Als ich von dieser Verabredung nicht zurückkehrte, beschloss Evie, etwas zu unternehmen. Mein blutverschmierter Anblick von letzter Nacht hatte ihr gereicht.
Sie hatte Terry schon ein paarmal getroffen. Er hatte in der Bar nach mir gesucht, und ich hatte ihn ihr als einen Sozialarbeiter aus dem Viertel vorgestellt. Sie ging davon aus, dass er so eine Art Freund von mir sei und hatte ihn angerufen. Dachte, er wüsste, wo ich zu finden wäre. Braves Mädchen.
– Bird hat uns angerufen. Keine große Sache, meinte er. Wir sollten nur mal schnell zur Koalition rauffahren und uns dort nach dir umgucken.
Christian brüllt über das Röhren der Motorräder hinweg. Wir sind jetzt auf der 24th und einigermaßen in Sicherheit. Trotzdem behalten die Dusters ihre Patrouillenformation bei. Zwei Biker als Vorhut, zwei, die uns den Rücken decken. Der Rest der Truppe hat einen Kreis um Christians kohlschwarze 72er Shovelhead gebildet. Er beugt sich über die Lenkstange und ich sitze hinter ihm und lehne mich an seinen Rücken. So kann ich ihn einigermaßen verstehen.
– Also hab ich mir ein paar Leute geschnappt, und hier sind wir.
Das ist wohl nicht die ganze Wahrheit. Die Dusters sind ein kleiner Clan unterhalb der Houston. Sie kontrollieren ein überschaubares Terrain unter der Manhattan Bridge, nicht weit von der Pike Street entfernt. Zwar gehören sie offiziell nicht zur Society, sind jedoch mit ihr verbündet. Die Dusters bewachen sozusagen Terrys Hintertür und machen ihm ansonsten keine großen Scherereien. Aber sie sind mitnichten die Laufburschen der Society. Meine Rettung war also nicht umsonst. Entweder zahlen die Dusters damit eine ziemlich große Schuld ab, oder sie bekommen eine fette Belohnung. Sonst würden sie wohl kaum ihren Präsidenten und zwölf ihrer besten Männer riskieren. Schon gar nicht, um jemanden aus Koalitionsgebiet zu holen, der nicht mal ein Mitglied ist. Den Preis, den sie dafür ausgehandelt haben, werde ich morgen erfahren. Wir überqueren die 14th und sind wieder auf dem Territorium der Society. Nach und nach trennt sich die Gruppe. Jeder von den Bikern salutiert vor Christian mit einem Fingertippen an den Zylinder, bevor sie in irgendwelchen Seitenstraßen verschwinden. Dann sind wir allein.
– Bird will dich sprechen.
Es dämmert bereits. Wenn ich jetzt zu Terry gehe, muss ich den ganzen Tag bei ihm rumhängen.
– Fahr mich nach Hause.
– Er hat gesagt, ich soll dich zum Hauptquartier bringen.
– Seit wann lässt du
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