Stadt Aus Blut
blicke auf. Marilee Horde steht vor mir.
– Guten Abend, Joseph. Kann ich Sie einen Augenblick sprechen?
– Keine gute Idee.
– Was ist keine gute Idee?
– Dass wir beide miteinander reden.
– Wo haben Sie denn diesen Blödsinn her?
– Von Ihrem Mann.
Sie lächelt.
– Umso mehr Grund haben Sie, mich hereinzubitten.
Sie hält die Hand vor den Mund und fängt an, demonstrativ zu flüstern.
– Damit wir nicht zusammen gesehen werden.
Ich öffne die Tür. Sie folgt mir hinein.
Marilee Ann Horde hat getrunken. Und sie wird damit vorläufig auch nicht aufhören.
– Wollen Sie mir nicht einen Drink anbieten? Joseph?
– Ist nur Bourbon da.
Sie lächelt.
– Nichts anderes hatte ich erwartet.
Während ich die Flasche hole und zwei Gläser einschenke, sieht sie sich um. Wir befinden uns im Erdgeschoss und die Falltür zu meiner richtigen Wohnung ist geschlossen. Marilee spitzt in mein Schlafzimmer. Dort liegt überall schmutzige Wäsche verstreut und das Bett ist nicht gemacht. Es soll ja so aussehen, als würde dort wirklich jemand leben. Ich reiche ihr ein Glas.
– Danke.
Sie duftet nicht mehr nach dem Lavendelöl wie bei unserer ersten Begegnung. Sie ist frisch geduscht und sauber. So viel kann ich mit meiner eingeschränkten Sinneswahrnehmung noch riechen. Sie trägt eine schwarze, ärmellose Bluse mit tiefem Ausschnitt, dazu einen knappen schwarzen Rock und kniehohe Lederstiefel – die Uniform der Uptowners, wenn sie das East Village besuchen. Auf ihren nackten Armen zeichnen sich gut definierte Muskeln ab. Die bekommt man nicht im Yogakurs, sondern nur durch hartes Krafttraining. Eine Vene verläuft gut sichtbar über ihrem rechten Bizeps. Fast kann ich das Blut darin fließen sehen. Sie lässt sich tief in meine vergammelte Couch fallen und verschüttet etwas Whiskey auf ihre Beine.
Mit dem Finger fährt sie durch den Bourbon auf der nackten Haut zwischen dem Saum ihres Kleides und dem Stiefelrand. Dann leckt sie den Finger ab.
– Gar nicht schlecht, Joseph. Was ist das?
– Old Grand-Dad.
– Exzellent. Und ich habe Ahnung von dem Zeug.
– Wie auch immer.
Ich setze mich ihr gegenüber auf einen Stuhl. Sie beugt sich zur Seite, hebt eine Ecke des Vorhangs und linst durchs Fenster auf die Straße hinaus. Ihre Limousine ist verschwunden. Darum habe ich sie gebeten. Zwar sind selbst in dieser Gegend Limousinen kein ungewöhnlicher Anblick, aber es ist mir trotzdem nicht geheuer, wenn eine direkt vor meiner Haustür parkt. Sie deutet auf das Fenster.
– Ist so ein Fenster nicht gefährlich?
– Warum?
– Sie wissen schon.
Sie imitiert das Geräusch von Feuer und lässt dazu ihre Finger wie Flammen tanzen.
Ich zucke mit den Achseln.
Sie atmet hörbar durch die Nase aus.
– Joseph, Sie sind wirklich sehr verschwiegen. Ich will doch nur etwas Konversation machen. Und Sie weisen mich ab.
– Entschuldigung.
Sie lacht.
– Oh, Sie sind so drollig.
– Das sagen alle meine Freunde.
Sie beugt sich vor und stützt die Ellbogen auf die Knie, wobei sich ihr Rock automatisch um ein paar Zentimeter verschiebt. Ich kann die Spitze am Rand ihres schwarzen Slips sehen.
– Sie haben Freunde?
Ich zucke mit den Achseln. Sie beugt sich weiter vor. Der Rock rutscht noch ein paar Zentimeter hoch.
– Eine Freundin?
Ich zucke mit den Achseln. Sie schüttelt den Kopf und lehnt sich wieder zurück.
– Wirklich sehr verschwiegen. So viel zu meiner morbiden Neugier. Ich nehme an, es wäre Ihnen lieber, über das Geschäftliche zu reden?
– Deshalb sind Sie ja wohl hier.
Sie rollt mit den Augen.
– Ja, wahrscheinlich. Also?
– Also?
– Haben Sie schon etwas herausgefunden?
– Hier.
Ich zeige ihr die Bankkarte. Als sie sich vorbeugt, um sie in Empfang zu nehmen, bekomme ich einen tiefen Einblick in ihr Dekolleté. Ein paar der Knöpfe an ihrer Bluse müssen wohl aufgegangen sein. Sie schaut sich die Karte an. Ihr Gesichtsausdruck verrät nichts.
– Sie haben unsere Tochter also gefunden?
– Nur die Karte.
– Wo?
– Chester Dobbs.
– Wie kam denn Dobbs an die Karte?
Ich nehme einen Schluck.
– Wahrscheinlich hat sie sie ihm gegeben.
Sie zieht eine Augenbraue hoch. Ich deute auf die Karte.
– Nachdem sie verschwunden ist, haben Sie Dobbs angerufen. Erst wollte er den Fall übernehmen, aber am nächsten Tag hat er den Schwanz eingezogen. Ich nehme an, er hatte sie schon am ersten Tag gefunden – doch sie wollte nicht gefunden werden und hat ihn bestochen. Mit
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