Stadt aus Glas
was, wenn ich nicht will! Was, wenn ich, verdammt noch mal, einfach nicht will!<
Da sind die Frauen mit ihren Einkaufstüten und die Männer mit ihren Pappkartons, die ihre Habseligkeiten von einem Ort zum anderen tragen, immer unterwegs, als ob es von Bedeutung wäre, wo sie sind. Der Mann, der sich in eine amerikanische Flagge eingehüllt hat. Die Frau mit einer Halloween-Maske vor dem Gesicht. Der Mann in einem zerschlissenen Mantel, seine Schuhe sind in Fetzen gewickelt, aber er trägt ein tadellos gebügeltes Hemd auf einem Kleiderbügel, noch in der Plastikhülle der Reinigungsanstalt. Der Mann in einem Straßenanzug, barfuß, einen Rugbyhelm auf dem Kopf. Die Frau, deren Kleidung von Kopf bis Fuß mit Ansteckplaketten vom Präsidentschaftswahlkampf bedeckt ist. Und da ist der Mann, der beim Gehen die Hände vors Gesicht hält, hysterisch weint und immer und immer wieder sagt: >Nein, nein, nein. Er ist tot. Er ist nicht tot. Nein, nein, nein. Er ist tot. Er ist nicht tot.<
Baudelaire: Wo immer ich nicht bin, ist der Ort, wo ich ich selbst bin. Oder, um den Stier bei den Hörnern zu packen: überall außerhalb der Welt.«
Es war beinahe Abend. Quinn schloß das rote Notizbuch und steckte den Kugelschreiber in die Tasche. Er wollte ein wenig länger über das nachdenken, was er geschrieben hatte, stellte aber fest, daß er nicht dazu imstande war. Die Luft um ihn her war mild, beinahe süß, so als gehörte sie nicht mehr zur Stadt. Er stand von der Bank auf, streckte Arme und Beine und ging zu einer Telefonzelle, von wo aus er wieder Virginia Stillman anrief. Dann ging er zu Abend essen.
Im Restaurant wurde ihm bewußt, daß er eine Entscheidung getroffen hatte. Ohne daß er es gewußt hatte, war die Antwort schon da, fertig geformt in seinem Kopf. Das Besetztzeichen, erkannte er nun, war nichts Willkürliches. Es war ein Signal und sagte ihm, daß er seine Verbindung mit dem Fall noch nicht abbrechen konnte, selbst wenn er es gewollt hätte. Er hatte versucht, mit Virginia Stillman zu sprechen, um ihr zu sagen, daß er am Ende angelangt war, aber das Schicksal hatte es nicht zugelassen. Quinn dachte einen Augenblick darüber nach. War »Schicksal« wirklich das Wort, das er gebrauchen wollte? Es erschien ihm so gewichtig und altmodisch. Und dennoch, als er es gründlicher untersuchte, entdeckte er, daß er genau das hatte sagen wollen. Oder wenn es schon nicht genau das war, so war der Ausdruck doch treffender als jeder andere, der ihm einfiel. Schicksal im Sinne von »was war«, was zufällig war. Es war so etwas wie das Wort »es« in dem Satz »es regnet« oder »es ist Nacht«. Worauf sich dieses »Es« bezog, hatte Quinn nie gewußt. Vielleicht war es eine verallgemeinerte Beschaffenheit der Dinge, wie sie sind, der Zustand der Es-heit, welcher der Boden ist, auf dem die Geschehnisse der Welt stattfanden.
Eindeutiger konnte er es nicht ausdrücken. Aber vielleicht suchte er nicht wirklich etwas Eindeutiges. Es war also das Schicksal. Was immer er davon hielt, wie sehr er es sich auch anders wünschte, es gab nichts, was er dagegen tun konnte. Er hatte ja zu einem Vorschlag gesagt, und nun hatte er nicht die Macht, dieses Ja zu widerrufen. Das bedeutete nur eines: Er mußte bis zum Ende durchhalten. Es konnte keine zwei Antworten geben. Es war entweder das eine oder das andere. Und so war es, ob es ihm gefiel oder nicht.
Die Sache mit Auster war offensichtlich ein Irrtum. Vielleicht hatte es einmal einen Privatdetektiv dieses Namens in New York gegeben. Der Mann von Peters Pflegerin war ein pensionierter Polizeibeamter - also nicht mehr jung. Zu seiner Zeit hatte es zweifellos einen Auster mit einem guten Ruf gegeben, und an ihn hatte er natürlich gedacht, als er aufgefordert wurde, einen Privatdetektiv ausfindig zu machen. Er hatte im Telefonbuch nachgesehen, nur einen Mann dieses Namens gefunden und angenommen, es sei der richtige. Dann hatte er die Nummer den Stillmans gegeben. In diesem Augenblick passierte der zweite Irrtum. Es gab eine Störung in den Leitungen, und irgendwie war seine Nummer mit der Austers durcheinander geraten. So etwas kam jeden Tag vor. Und so hatte er den Anruf erhalten - der ohnehin für den falschen Mann bestimmt war. Das alles war vollkommen sinnvoll.
Blieb noch ein Problem. Wenn er nicht mit Virginia Stillman in Verbindung treten konnte - wenn er, wie er glaubte, keine Verbindung mit ihr aufnehmen sollte -, wie hatte er dann vorzugehen? Seine Aufgabe war es,
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