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Stadt aus Sand (German Edition)

Stadt aus Sand (German Edition)

Titel: Stadt aus Sand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierdomenico Baccalario , Enzo d'Alò , Gaston Kaboré
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Grüppchen um den Geschichtensänger: Bilal aus dem Land des Donners und Bilgo, der aus dem Süden kam, auch Sokorou Biegsame Knie war darunter. Rokia drängte sich schnell in ihre Mitte und sank dort auf den Boden.
    »Großvater!«, rief sie.
    Doch Matuké antwortete ihr nicht. Er saß immer noch starr in derselben Position, in der ihn die Rauchschwaden überrascht hatten, mit geradem Rücken und die Kora auf den Knien. Aber er war noch am Leben, denn sein Brustkorb hob und senkte sich regelmäßig, wenn auch sehr langsam.
    »Großvater! Was ist mit dir los?«, schrie ihn Rokia an und umarmte ihn. Doch ihr Großvater reagierte nicht, verharrte regungslos wie eine Statue. »Großvater? Erkennst du mich nicht? Ich bin es, Rokia! Deine Enkelin!«
    Matukés Blick blieb starr nach vorn gerichtet. Seine unbeweglichen Pupillen schienen sich auf etwas zu konzentrieren, das den anderen verborgen blieb. Aus seinen leicht geöffneten Lippen lief ein kleiner Faden Speichel herunter.
    Rokia kniete sich vor ihn hin, nahm einen Zipfel seines schwarzen Gewandes und wischte sorgfältig sein Gesicht ab. Als sie spürte, dass seine Gesichtszüge nicht reagierten, zitterten ihr die Hände. »Großvater? Warum sagst du denn nichts? Warum sprichst du nicht?«
    »Weil sie seine Seele geraubt haben«, sagte eine kraftvolle Stimme hinter ihr.
    Rokia drehte sich um und ließ den Stoffzipfel zur Erde sinken. Bilal aus dem Land des Donners hatte gesprochen. Doch das Gesicht über seinem starken Körper wirkte verängstigt wie das eines kleinen Kindes. Neben ihm weinte sein blinder Begleiter, der die Teile seines zerbrochenen Instrumentes gegen seine Brust presste.
    Rokia fuhr sich mit einer Hand über die Augen und fragte dann: »Wie meint Ihr das, Herr?«
    Sokorou Biegsame Knie ließ sich geschmeidig zu Boden sinken und wedelte mit einer Hand vor Matukés Augen. Sein Blick war voller Traurigkeit. »Bilal hat recht. Er hat ihm die Seele geraubt.«
    »Das ist nicht wahr!«, rief Rokia aus.
    »Doch, leider stimmt es. Schau doch: Sein Körper ist hier, aber er ist leer«, fuhr Bilgo, der aus dem Süden kam, fort.
    Die drei Geschichtensänger begannen, sich erregt zu unterhalten.
    »Das war er.«
    »Wer sonst?«
    »Genau.«
    »Das war wieder er .«
    »Er hätte jeden von uns nehmen können.«
    »Er wusste, dass Matuké gekommen war. Und er hat sich den Besten unter uns ausgesucht«, schloss Sokorou Biegsame Knie und erhob sich in einer einzigen fließenden Bewegung.
    »Die Zeit der Geschichtensänger geht zu Ende«, flüsterte Bilgo, der aus dem Süden kam, verbittert.
    Rokia hörte den drei Männern zu, ohne zu verstehen, was sie sagten und von wem sie sprachen. Sie sah einen nach dem anderen verängstigt und fassungslos an und las doch in jedem Gesicht den gleichen Ausdruck von Wut, Angst und Ergebenheit.
    »Was sagt Ihr?«, schluchzte sie. »Wer ist das gewesen?«
    Sie hatte die Frage an niemanden Bestimmten gerichtet, doch weder der kräftige Bilal noch der bewegliche Sokorou oder der flinke Bilgo antworteten ihr.
    »Das waren die Geier!«, erinnerte sie Rokia. »Die Geier und der schwarze Rauch!«
    »Die hat er geschickt!«, flüsterte Bilal.
    »Wer ist er ?«
    »Es gibt Worte, die nicht ausgesprochen werden dürfen«, flüsterte daraufhin Bilal. »Das ist zu gefährlich, mein Kind.«
    »Er hasst die Geschichtensänger. Und er kommt uns holen. Einen nach dem anderen«, fügte Sokorou Biegsame Knie kaum hörbar hinzu.
    »Er wird auch unsere Seelen rauben, und dann wird keiner mehr von den Träumen der Menschen singen«, raunte Bilgo, der Geschichtensänger, der aus dem Süden kam.
    »Niemand hat die Seele meines Großvaters geraubt!«, schrie Rokia, während sie Matuké anstarrte, dessen Gesicht jetzt so starr wie eine Maske wirkte. »Das ist gelogen!«
    Sie umarmte ihn unter Tränen, bis die anderen Männer, die nichts mehr tun konnten, fortgingen.
    »Ihr lügt! Das ist gelogen! Ihr seid böse Männer und wisst gar nicht, was hier passiert ist! Lü-gen! Das waren die Geier! Mein Großvater hat sich erschreckt, er ist müde! Seht ihr das nicht? Er muss nach Hause, um sich auszuruhen! Niemand hat ihm die Seele geraubt! Er ist bloß müde!«
    Die Augen des Großvaters waren weit aufgerissen und feucht, aber sie wirkten so ausdruckslos wie die einer Eidechse. Sie starrten blind ins Leere, noch verlorener als die von Aotyé, dem Dummkopf, wenn er ihren Brüdern hinterhersah.
    Das Mädchen schluckte den Speichelklumpen hinunter, der sich in ihrer

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