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Stadt aus Sand (German Edition)

Stadt aus Sand (German Edition)

Titel: Stadt aus Sand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierdomenico Baccalario , Enzo d'Alò , Gaston Kaboré
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»All diese Dinge will ich gar nicht wissen, Setuké. Ich will nur wissen, warum Rokia verschwunden ist!«
    Setuké hob den Kopf, als hätte ihn ein Peitschenhieb getroffen. Er schmetterte beide Stöcke auf den Boden und sprang mit einem plötzlichen Wutanfall auf: »Du willst? Du willst? Und was willst du?«
    Erschrocken über seine heftige Reaktion, kauerte sich Zouley eng neben das Lager ihres Vaters und stotterte: »Setuké … verzeih …«
    Der Hogon schwang seine Stöcke durch den dunklen Raum, als wollte er sie damit schlagen: »Begreifst du nun, warum man Frauen keine Geheimnisse anvertrauen kann? Begreifst du das? Ihr habt keine Ahnung, was Stille bedeutet! Ihr könnt einfach nicht schweigen oder warten.«
    »Setuké, ich wollte nicht …«, sagte Zouley zitternd und verbarg ihr Gesicht in den Händen.
    Doch der Hogon achtete gar nicht auf sie und ging zur Tür. »Wollen, nichts als wollen! Du solltest nicht sagen ›Was will ich?‹, sondern ›Was darf ich?‹ Deshalb geht hier alles zugrunde. Die Möglichkeiten sind viel größer als die Wünsche. Sie sind endlos, tief und unerforscht. Aber wir loten sie ja nie aus! Weil wir uns auf das beschränken, was wir wollen.«
    Dann drehte er sich ein letztes Mal um. »Auch ich hätte gern, dass mein Vater noch lebt. Ich möchte das Dorf und meinen Bruder retten. Und ich wünschte, Rokia wäre nie weggegangen. Aber das kann ich nicht ändern! Ich kann nicht! Begreifst du, dass ich es nicht kann , Frau?«
    Dann riss er die Tür mit einem lauten Knall weit auf und verschwand mit seinen Stöcken hinkend in der Nacht.

DIE GESCHICHTENSÄNGERIN
    Auf dem Weg durch die Wüste schaukelten Manet und Monet wie kleine Boote.
    Inzwischen wurde Rokia immer sicherer auf der Valiha , während Ayad mit verschränkten Armen in seinem neuen Sattel thronte und stolz eine neue rosa Kopfbedeckung zur Schau stellte, mit der er aussah wie ein durchgedrehter Flamingo.
    »Darf ich dich etwas fragen, Mädchen?«
    »Sicher«, sagte Rokia und hörte auf zu spielen.
    »Was tut dein Großvater eigentlich in der Stadt aus Sand?«
    »Das weiß ich nicht genau.«
    »Na großartig. Hat er dir wenigstens irgendeinen Namen genannt, den eines Gastwirts, eines Händlers oder eines Glasperlenverkäufers?«
    »Nein, das nicht. Mein Großvater weiß nicht einmal, dass ich ihn suche.«
    »Und wie willst du ihn dann finden?«
    »Ich werde herumgehen und die Leute nach ihm fragen. Er ist ein berühmter Geschichtensänger.«
    »Pah!«, Ayad spuckte zur Seite aus. »Also, wenn du es genau wissen willst, das ist kein guter Einfall. Nein, ich würde sogar sagen, das ist der schlechteste aller schlechten Einfälle, die ich je gehört habe.«
    »Warum?«
    »Weil es in der Stadt aus Sand keine Geschichtensänger gibt. Dort ist es sogar verboten, über sie zu sprechen.«
    »Machst du Witze?«
    »Kein einziger Geschichtensänger. Und keine Musikinstrumente. Keine Radios … und keine … wie heißen diese Dinger noch mal … ach, mein Gedächtnis!« Ayad kratzte sich wütend am Kopf, als wollte er den Gedanken, der irgendwo hängengeblieben war, mit Gewalt aus ihm herauslocken: »Ach ja, Bücher. Und keine Bücher.«
    »Was ist das?«
    Ayad zuckte nur die Schultern: »Nichts, was dein Leben verändern könnte, glaub mir. Sie lohnen das Risiko nicht.«
    »Und was machen wir mit der hier?«, fragte Rokia und hob die Valiha hoch.
    »Entweder verstecken wir sie irgendwo außerhalb der Stadt, oder wir schmuggeln sie heimlich an den Wachen vorbei. Möge ihnen bei jeder Mahlzeit das Essen wieder hochkommen!«
    »Du magst sie wohl nicht sehr.«
    »Ist doch normal. Die Wachen durchsuchen alles und jeden, jedes Tier, jeden Menschen, der die Stadt betritt oder verlässt. Und keiner weiß so genau, warum. Vielleicht macht es ihnen ja Spaß, alles zu kontrollieren, oder vielleicht handeln sie auch auf Befehl von …« Ayad wechselte seufzend das Thema. »Also, warum auch immer, sie kontrollieren eben alles.«
    »Vielleicht könnte ich mich bei ihnen nach Großvater erkundigen.«
    »Das wird ja immer besser!«, ereiferte sich Ayad. »Die Wachen fragen? Und was glaubst du, werden sie dir antworten, Mädchen? Die Wachen reden nicht.«
    »Wie … sie reden nicht?«
    Ayad legte sich eine Hand über den Mund. »Sie sind stumm! Still! Sie würden nicht einmal unter der Folter ein Wort sagen … mal abgesehen davon, dass sie es gar nicht können. Man hat ihnen die Lippen zusammengenäht.«
    »Amma möge ihnen beistehen!«

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