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Stadt aus Sand (German Edition)

Stadt aus Sand (German Edition)

Titel: Stadt aus Sand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierdomenico Baccalario , Enzo d'Alò , Gaston Kaboré
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schwarze Flügel verdunkelten den Himmel. Dutzende Geier stiegen von einem der Türme auf und landeten langsam rund um den Baobab oder stießen an den weißen Wänden des Palastes hinab.
    Draußen vor dem Zimmer, in das sich Rokia geflüchtet hatte, erschienen ganze Knäuel von zischelnden Schlangen aus Rauch, die in rasender Geschwindigkeit an ihr vorbeizogen und sich um die Säulen wickelten.
    Als Rokia sie bemerkte, hielt sie sich aus Angst, sie könnten ihretwegen gekommen sein, die Ohren zu und schloss ganz fest die Augen. Doch die schwarzen Tentakel glitten an ihrem Raum vorbei und verschwanden genauso schnell wieder, wie sie erschienen waren.
    Rokia wagte einen Blick nach draußen.
    Die Schlangen glitten mit ihrem jammervollen Gezischel in einen Raum am Ende des Ganges, aus dem man nun eine singende Litanei vernehmen konnte, die von einer tiefen heiseren Stimme vorgetragen wurde.
    »Ich glaube, ich bin am Ziel, Großvater«, murmelte Rokia und lief weiter.
    Eine Erschütterung ließ den ganzen Palast erbeben. Der Stamm des Baobabs schien sich aufzublähen, als ob er würgen müsste. Die Geier flogen wie verrückt um die Türme.
    Die Erschütterung wiederholte sich mit verstärkter Intensität, und diesmal öffnete sich die Wunde in der Rinde des Baumes, und ihr entströmte eine Wolke von weißem Sand, den der Wind forttrug.
    Rokia blieb vor dem Zimmer stehen, in das die Tentakel verschwunden waren.
    Und blickte hinein.

    Auf dem Plateau der Falaise verlor Setuké nun keine Zeit. Er tauchte seine Finger in ein Farbgefäß und zog sich eine weiße Linie über Nase und Stirn. Dasselbe Ritual vollzog er an den drei Brüdern, ohne dass einer von ihnen nach dem Grund dafür zu fragen wagte.
    Er lud sich sein Gepäck wieder auf die Schultern und sagte: »Kommt mit.«
    Und weil die Brüder zunächst stehen blieben, fügte er hinzu: »Sofort.«
    Ogoibélou presste fest die Zähne zusammen.
    Die Fackeln in der Wüste kamen näher: ferne Punkte, die jedoch bei Tagesanbruch vor der Palisade des Dorfes stehen würden.
    Es waren sehr viele. Mindestens hundert Männer.
    »Was wollen sie von uns?«, fragte er.
    »Uns angreifen«, antwortete Setuké düster und begann, den Pfad hinabzusteigen, den sie vor Einbruch der Nacht hochgekommen waren.
    »Und warum?«
    »Weil sie uns hassen.«
    »Können wir nicht … weglaufen?«, fragte Serou.
    »Wohin?«, fragte ihn Setuké und blieb abrupt mitten auf dem Weg stehen.
    »Nach der anderen Seite fliehen! Das Dorf verlassen und …«
    »Schau doch nur, wie schnell sich diese Fackeln fortbewegen. Siehst du das?«
    Serou nickte.
    »Diese Männer reiten auf Dromedaren, und zwar im Galopp. Wenn wir mit den Frauen und Kindern flüchten, könnten wir nie so schnell sein wie sie.«
    »Dann müssen wir unser Dorf verteidigen«, meinte Ogoibélou.
    Serou kratzte sich verzweifelt am Kopf. Er öffnete und schloss seinen Mund, ohne ein Wort herauszubringen.
    »Und jetzt bewegt euch!«, befahl ihnen der Hogon .
    Die drei Brüder folgten ihm den Pfad hinab. Sie kamen wieder zu der großen Felsplatte, deren Vorsprung ins Leere ragte, doch anstatt sofort weiter abzusteigen, wandten sie sich einigen Gesteinsbrocken zu, hinter denen sich die Öffnung einer Grotte verbarg.
    Setuké überprüfte rasch die Zeichnungen auf ihren Gesichtern, dann ging er ihnen voraus in die Höhle. Inogo, Serou und Ogoibélou folgten ihm atemlos. Sie blieben erst stehen, als sie nichts außer Dunkelheit sahen. Nur an den Geräuschen konnten sie erkennen, dass Setuké vor ihnen war. Der Hogon stellte seinen Reisebeutel auf dem Boden ab und holte ein Feuerzeug heraus, eins von diesen modernen, die der Tablier aus mit gelben Gummis zusammengehaltenen Päckchen verkaufte. Er hob es über seinen Kopf und beleuchtete damit die Grotte.
    Es war eine Grabstätte.
    Sie sahen die weißen Knochen eines Skeletts durch eine schwarz-weiß karierte Decke schimmern, in die es gewickelt war. Außerdem Armreifen aus Kupfer und Ketten mit schützenden Amuletten.
    Die Flamme des Feuerzeugs verlosch und ging wieder an.
    Vor dem Grabtuch sahen sie ein volles Ölgefäß und zwei Masken, die am Stein lehnten.
    »Das ist mein Vater«, sagte Setuké.
    Er ging schnell an dem in die Decke gehüllten Skelett vorbei und glitt durch eine Öffnung in eine zweite Höhle. Serou rannte gleich hinter ihm her, vorbei an seinen Brüdern. Die bläuliche Flamme des Feuerzeuges beleuchtete bedrohlich flackernd die Wände um sie herum. Durch das enge Loch gelangten

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