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Stadt aus Trug und Schatten

Stadt aus Trug und Schatten

Titel: Stadt aus Trug und Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechthild Gläser
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meine Fragen beiseitegeschoben, als ich entdeckte, mit wem mein Vater sich unterhielt. Jemand, hinter dessen strahlendem Äußeren sich etwas verbarg, was mir mittlerweile Unbehagen bereitete.
    »Da bist du ja«, sagte mein Vater, dessen Miene sich aufhellte, kaum dass ich den Raum betreten hatte. Er sah mitgenommen aus, unter seinen Augen hingen tiefe Schatten und sein Haar stand ihm vom Kopf ab. Seine Finger waren schwarz vor Tintenflecken und in der Luft lag ein leichter Schweißgeruch. »Tut mir leid, ich glaube, ich sitze seit Donnerstagnacht an diesen Unterlagen hier. Es geht um ein neues Gesetz«, erklärte er. »Aber nur weil der Papierkram mich an den Palast bindet, muss das nicht für dich gelten, Flora.« Er schenkte mir ein müdes Lächeln.
    »Aha?«, sagte ich langsam.
    Der Kanzler, der mit dem Rücken zur Tür gestanden hatte, wandte sich nun zu mir um und auch er lächelte. Allerdings wie eine Wildkatze, die ihre Beute anvisierte.
    »Du musst nämlich wissen, Flora: An diesem Wochenende gibt das beste Varieté Eisenheims im Backand seine Jubiläumsvorstellung. Das solltest du auf keinen Fall verpassen«, fuhr mein Vater fort und deutete auf den Eisernen Kanzler. »Mich halten meine Geschäfte davon ab, aber der gute Alexander hier hat vorgeschlagen, mit dir hinzugehen. Ist das nicht eine wunderbare Idee?«
    »Äh.«
    »Wir werden eine Menge Spaß haben«, sagte der Kanzler in einem Tonfall, der mir einen Schauer über den Rücken jagte.
    »Nein«, stammelte ich. »Nein … danke.«
    Mein Vater sah mich an. »Aber du langweilst dich doch bestimmt in diesem finsteren Kasten. Würdest du nicht gern ein bisschen was von der Stadt sehen?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Schon. Aber …«
    »Aber?«
    »Er verfolgt mich mit seinen Schattenreitern. Er …« Ich war selbst überrascht, wie panisch meine Stimme plötzlich klang, und verstummte. Als wäre ich ein Kind, das petzte! Meine Güte, ich war siebzehn Jahre alt und ich zeigte mit dem Finger auf den Kanzler wie auf einen Jungen, der mich geärgert hatte! Ich räusperte mich. »Ich glaube, das wäre keine so gute Idee. Der Kanzler und ich verstehen uns nicht besonders«, erklärte ich betont ruhig.
    Der Kanzler gab sich empört, beinahe wäre ihm sein Dreispitz vom Kopf gerutscht. »Hoheit, ich versuche lediglich, Ihre Tochter zu beschützen.«
    »Natürlich, natürlich tun Sie das«, sagte mein Vater, legte die Hände auf meine Schultern und beugte sich zu mir herab. »Hör zu, Flora«, raunte er. »Mein Kanzler stammt aus einer anderen Zeit. Er ist alt, viel älter, als es den Anschein hat. Vielleicht magst du ihn nicht gerade, aber eines steht fest: Ich würde ihm mein Leben anvertrauen, mein Leben, meine Tochter und mein gesamtes Fürstentum. Er dient unserer Familie bereits seit Generationen. Mein Vater hat ihm vertraut und mein Großvater, ebenso wie mein Urgroßvater und wiederum dessen Vater. Es gibt niemanden, der unserer Familie so loyal gegenübersteht wie Alexander von Berg. Und dass er sich angeboten hat, mit dir ins Varieté zu gehen, rechne ich ihm hoch an, denn er ist ein viel beschäftigter Mann.« Er senkte die Stimme zu einem Wispern. »Auf keinen Fall wirst du ihn vor den Kopf stoßen.«
    »Aber er hat mich bedroht, er will –« flüsterte ich zurück, drauf und dran, vom Weißen Löwen und meinen verschwundenen Erinnerungen zu erzählen. Doch mein Vater schüttelte entschieden den Kopf und sah einen Moment lang tatsächlich so gebieterisch aus, wie man es vom Herrscher der Schattenwelt erwartete.
    »Es reicht. Ihr beide werdet jetzt aufbrechen. Die Diskussion ist beendet.«
    Als wäre ich zehn Jahre alt! »Die Diskussion fängt gerade erst an«, sagte ich zornig. Ich fühlte mich mies, weil Wiebke noch immer sauer auf mich war und sich weigerte, mit mir zu reden. Weil ich mir Sorgen um Linus machte. Und weil da noch immer diese Sache mit Marian war. Nicht zu vergessen meine fehlenden Erinnerungen und der Weiße Löwe. Ich hatte gerade wirklich keinen Nerv, in eine dämliche Varieté-Vorstellung zu gehen. Noch dazu mit dem Kanzler. Trotzig reckte ich das Kinn, doch in diesem Augenblick schob sich bereits eine feingliedrige Männerhand in meine Armbeuge und zog mich mit sich.
    »Sie brauchen sich wirklich nicht vor mir zu fürchten, Flora.«
    »Lassen Sie mich«, rief ich, doch der Griff des Kanzlers war stählern und mein Vater längst wieder in seine Papiere vertieft.
     
    Draußen war es bitterkalt und das Luftschiff des Kanzlers

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