Stadt der blauen Paläste
aber …«, Margarete stockte, »ich bin ja die Einzige von euch, die keine Familie hat, keine Kinder hat, niemand, für den sie sorgen kann oder muss. Parfum kannst du nicht streicheln, du kannst nicht mit ihm reden und –«
Crestina lachte.
»Mit Fischen doch wohl auch nicht, oder?«
»Doch, mit Fischen kann man schon reden, man muss nur richtig hinhören, dann antworten sie einem. Diese Lebenslust zum Beispiel«, fuhr sie fort und zeigte auf einen der Fische, der soeben eine wilde Spur über die Pflanzen hinwegzog durch den durchbrochenen Stein hindurchschoss und dann an der Wand des Aquariums die Algen abweidete. »Das ist für mich eine Antwort. Vielleicht ist er ja glücklich, oder was meinst du?«
Crestina lachte verlegen.
»Ja, vielleicht schon. Aber mir wäre es sicher zu wenig.«
»Du hast ja auch Kinder. Und sei es nur, dass du dich über sie ärgern kannst.«
Margarete nahm ein Flakon, tropfte etwas von dessen Inhalt auf ihr Handgelenk, roch daran.
»Es ist noch nicht so weit, es braucht mindestens drei Wochen, manchmal auch mehr, bis es fertig ist.«
»Und wie soll es weitergehen mit dir? Dies alles klingt so, als seiest du doch noch nicht zufrieden mit dem, was du erreicht hast. Und als wolltest du etwas anderes machen. Noch einmal?«
»Nicht etwas anderes«, wehrte Margarete ab. »Ich möchte eigentlich nur noch etwas tiefer in meine Arbeit einsteigen.«
»Tiefer?«
»Ja, mich interessieren all diese Pflanzen, die ich verwende, Pflanzen aus dem Heiligen Land zum Beispiel. Die möchte ich sehen, pflücken und zu neuen Düften machen. Vielleicht.«
Crestina setzte sich auf eine der Truhen und begann zu schnuppern.
»Weißt du, ich habe zwar eine gute Nase, aber da ich nie eine Frau war, die sich besonders viel aus ihrem Äußeren machte – seien es nun Kleider oder irgendwelches Zubehör, dazu gehört natürlich auch Parfum –, bin ich vermutlich nicht die richtige Adresse für all das, was dir da so wichtig ist. Vermutlich kann ich nicht einmal den Duft einer Camelie von einer Zitrone unterscheiden. Kannst du das?«
Margarete dachte kurz nach.
»Camelien duften nicht. Aber vielleicht verblüfft dich das, ich kann, grob geschätzt, etwa tausend Düfte unterscheiden. Und dass Zibet scheußlich riecht, daran erinnerst du dich doch gewiss auch noch.«
Crestina schüttelte sich.
»So grobe Unterscheidungen werde ich gerade noch schaffen, aber kaum mehr. Du hast mich mal Ambra riechen lassen und Moschus, aber da habe ich bereits versagt.«
»Aber du wirst es rasch lernen, warte noch einen Augenblick«, befahl Margarete, als Crestina aufstand, »ich zeig dir's. Ich wollte gerade damit beginnen, als ich dich kommen hörte.«
Sie führte Crestina in einen der Nebenräume, die dem Kanal zu lagen, und bot ihr einen Schemel an. Auf einem Kupfergefäß lag ein Stück Holzkohle, das soeben zu glimmen begann.
»Wir kommen gerade richtig«, sagte sie und nahm aus einer Dose drei unregelmäßig geformte weiße Klümpchen, die sie auf die glühende Holzkohle legte.
»Es dauert noch ein paar Minuten«, erklärte sie dann. »Es geht unterschiedlich schnell. Weil es unterschiedliche Proben sind.«
»Und welche Proben sind es?«, wollte Crestina wissen.
»Warte noch einen Augenblick, du wirst es sicher erraten.«
Nach kurzer Zeit stieg ein leichter Rauch auf, und Margarete wedelte ihn in Crestinas Richtung.
»Nun?«
»Das riecht wie in der Kirche«, sagte Crestina nach einer Weile.
»Du hast es erraten. Dann weißt du natürlich auch, was das für weiße Klümpchen sind.«
»Weihrauch?«, vermutete Crestina.
»Olibanum, das Harz des Weihrauchbaums. Das die Ägypter schon vor Tausenden von Jahren ihren Toten mit ins Grab gaben. Dazu auch Duftöle, Balsame, Kräuter.«
»Und was hat dieser Weihrauch mit deinen Träumen zu tun?«
»Es gibt da eine Straße, die älteste Handelsstraße der Welt zum Mittelmeer. Das Land heißt Weihrauchland. Und im ›Hohen Lied‹ Salomos, das ich sehr liebe, gibt es eine Zeile … ›wie ein Geräuch von Myrrhe, Weihrauch und allerlei Gewürzstaub‹. Und genau das wäre es, was mich interessieren und eine lang gehegte Sehnsucht endlich erfüllen würde.«
»Kannst du genauer sagen, was du meinst?«
»Ich möchte dahin, wo es diesen Weihrauch gibt, diesen Weihrauchbaum. Und dann möchte ich das Harz abschaben von diesem Baum.«
»Du selber?«
»Ich selber«, sagte Margarete und blickte an Crestina vorbei auf den Kanal hinunter.
»Ich, Margarete
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