Stadt der blauen Paläste
mir, nicht meiner Familie. Und ich muss keine grapschenden Hände ertragen, wenn er neben mir sitzt. Ich kann ihn entlassen. Und das weiß er. Und er würde sich hüten, etwas zu tun, womit er mein Missfallen erregt. Und außerdem wollte ich natürlich von meiner Arbeit leben können. Gut leben.«
Crestina lachte und machte eine Handbewegung über die Räume.
»Ich habe den Eindruck, dass du sogar hervorragend von deiner Arbeit leben kannst. Das ist ja wohl kaum nur ein Geschäft, das du inzwischen besitzt.«
Margarete lachte.
»Nein, es sind einige. Eines in Mailand, eines in Padua, eines in Florenz, in Genua. Und natürlich in Rom.«
»In Deutschland nicht?«
»Doch natürlich auch. Eines davon habe ich jetzt gerade eröffnet: in meiner Heimatstadt. Was natürlich viel Staub aufgewirbelt hat.«
»Weshalb?«, wunderte sich Crestina.
»Nun, all die Jahre hindurch bin ich in irgendwelchen Fußstapfen gegangen: in denen meines Vaters, meines Bruders, meiner Mutter. Das hier ist jetzt etwas völlig anderes. Es passt nicht zum Bisherigen. Zu den Waffengeschäften meines Bruders schon gleich gar nicht.«
Crestina ging zu einem Regal hinüber, in dem eine Serie von Kolben stand, die durch Glasröhrchen miteinander verbunden waren. Farben wechselten von grün zu rot, von rot zu blau, dann erschien ein magisches Lila – auf einem kleinen Schildchen stand ›Aqua della Regina‹.
»›Aqua della Regina‹, Königinnenwasser, was bedeutet das?«, wollte Crestina wissen.
Margarete lachte.
»Als Katharina von Medici 1533 zur Königin von Frankreich gekrönt wurde, mixten die Dominikanermönche in Florenz, die Gründer der ältesten Apotheke der Welt, der ›Santa Maria Novella‹, ein Parfum für sie, dem sie ihren Namen gaben. Die Königin sorgte dafür, dass ihr Geschenk auch in Paris bekannt wurde, und machte damit die Florentiner Apotheke weltberühmt. Inzwischen werden deren Produkte bis nach China, Indien und Russland exportiert.«
»Und du versuchst es nachzumachen?«, fragte Crestina amüsiert.
Margarete zuckte mit den Schultern.
»Ich weiß nicht, ob es wirklich das ist, was die Mönche damals machten, aber ich hoffe, dass es dem sehr nahe kommt.«
Crestina sah die Freundin prüfend an.
»Darf ich dir eine ungewöhnliche Frage stellen?«
Margarete nickte verwundert.
»Nur zu, ich bin gespannt.«
»Bist du glücklich?«
Margarete runzelte die Stirn, dann lächelte sie vor sich hin.
»Du hast Recht, sie ist wirklich ungewöhnlich, deine Frage.«
Sie nahm Crestina an der Hand, schob sie in einen der kleinen Nebenräume, in denen sie ihre Glasutensilien gestapelt hatte.
»Siehst du, das hier sind Mörser, Kolben, Gläser, Röhren. Sie haben alle Namen. Und es macht mir Freude, mit diesen Dingen zu arbeiten, weil es völlig unterschiedliche Dinge sind: Ich muss mir Flakons ausdenken, mit dem Glasbläser überlegen, was möglich ist und was nicht, ich muss Namen erfinden, die die Leute zum Kauf anregen. Dann sind die Verpackungen wichtig, wenn du solch eine Kostbarkeit verschenken willst, ich denke mir für meine Geschäfte auch die Inneneinrichtung aus, ob Holztäfelung oder Ähnliches, alles erfordert Kreativität. Und das liebe ich. Aber es sind trotzdem leblose Dinge, auch wenn sie Namen haben. Aber das hier«, sie schob einen Vorhang zur Seite, hinter dem ein ziemlich großes Aquarium mit bunten kleinen Fischen zum Vorschein kam, »das hier ist etwas, was lebt. Etwas, an dem ich mich jeden Tag, jeden Abend, sogar nachts erfreue.«
Crestina hatte einen verblüfften Schrei ausgestoßen, ging dann aber näher an den gläsernen Behälter.
»Woher hast du denn die, diese Fische? Sie stammen ja wohl kaum aus dem Kanal?«
Margarete lachte.
»Nein, ganz gewiss nicht. Aber der Bruder des Händlers, bei dem ich in Murano meine Glaswaren besorge, interessiert sich für Fische. Er züchtet sie. Und da ich so begeistert davon war, schenkte er mir eines Tages ein paar davon. Und inzwischen haben sie sich bereits vermehrt.«
Crestina kniete nieder, beobachtete die Fische, zeigte auf diesen, und jenen und stellte Fragen.
»Falls du heute Morgen noch einkaufen gehen willst, solltest du es jetzt tun, sonst kommst du nicht mehr dazu«, warnte Margarete belustigt.
»Brauchst du das?«, fragte Crestina nach einer Weile zögernd. »Brauchst du diese Fische als Gegengewicht zu deiner Arbeit? Ich dachte immer, sie wäre dein Lebensinhalt, eine Arbeit, in der du völlig aufgehst?«
»Das tue ich ja auch,
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