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Stadt der blauen Paläste

Stadt der blauen Paläste

Titel: Stadt der blauen Paläste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bayer
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dann vorsichtig hinzu.
    »Dachtest du nicht einmal auch an dieses Sulzburg?«, wagte Crestina nachzufragen, »schließlich ist dort doch dein Großvater begraben.«
    Lea lachte.
    »Nun ja, ob ich von Sulzburg oder Venedig aus nach Jerusalem rolle, bleibt sich gleich. Die Länge der Strecke dürfte sich kaum unterscheiden. Allenfalls habe ich ein paar Berge mehr zu durchrollen. Und überhaupt«, Lea stand auf und legte Crestina die Hand auf den Arm, »gibt es nicht auch bei euch Christen jede Menge religiöse Fragen, die man nicht beantworten kann? Wer hat denn schon den Heiligen Geist gesehen oder was soll man bei Fronleichnam glauben?«
    Dass nach diesem Gespräch kein Platz mehr war für ihre Sorgen um Bianca, hätte ihr eigentlich klar sein müssen, als sie Gilgul nur berührt hatte, dachte Crestina seufzend.

13. Margarete
    »Weißt du mir einen Rat?«, fragte sie daher an einem der nächsten Tage Margarete, als sie mit der Freundin auf der Terrasse saß und wieder einmal an dieser Tischdecke stickte, die nie fertig wurde. Sie hatte sie eines Tages einmal halb fertig in irgendeiner Truhe gefunden, und das Stück hatte ihr Leid getan, dass es so unfertig darin vergraben war. Seitdem stickte sie Vögel, die in Bäumen saßen, Rosen, die über Bänke hingen, und Schmetterlinge, die über das Wasser schwirrten.
    »Was soll ich tun, nachdem ich nun all diesen Irrsinn meiner Tochter kenne? Ich kann schließlich nicht mit Lea darüber reden. Ich weiß nicht mal, weshalb sie diese Kleiderzeremonie neulich gerade hier im Haus gemacht hat und nicht bei sich im Ghetto, wo sie hingehört. Dass Bianca sich da sofort von dieser Messiaserregung anstecken lassen würde, war ja klar.«
    Margarete zuckte mit den Schultern und begann den Wirrwarr eines Stickgarns, das in dem Korb lag, aufzudröseln.
    »Weil Leas Wohnung gerade geputzt wurde, hat sie es hier gemacht, und weil sie das Gefühl hat, sie sei hier zu Hause. Was dich ja eigentlich glücklich machen müsste. Und Bianca«, Margarete zupfte mühsam einen Faden aus dem Gewirr, »mit Gewalt bekommst du sie nicht fort von dieser Idee, die inzwischen bereits zu einer Besessenheit geworden ist. Lass uns einfach mal überlegen, was es an Möglichkeiten gibt.«
    »Ich kann Lea schließlich nicht aus dem Palazzo werfen«, sagte Crestina ratlos und legte die Handarbeit auf den Tisch. »Ich kann ihr auch keinesfalls verbieten, an den Messias zu glauben und all das zu tun, was in diesem Ghetto zurzeit geschieht und was die Gojim nicht wissen sollen.«
    »Diese Gojim wissen trotz allem ziemlich viel«, gab Margarete zu bedenken, »aber die Frage ist doch, was du mit Bianca machst, die sich im Übrigen jetzt einen jüdischen Namen zugelegt hat und sich Esther nennt, falls du das noch nicht wissen solltest.«
    Crestina seufzte. »Das hat sie mir schon neulich zum Abschluss ihrer Kleiderorgie mitgeteilt, und vor kurzem ein zweites Mal. Und dass sie diesen Namen eigentlich erst nach dem Übertritt und dem ersten jüdischen Ritualbad bekommen darf, aber dass sie ihn sich schon jetzt gegeben hat. Selber.«
    »Sie tut es für Moise«, gab Margarete zu bedenken, »und –«
    »Aber Moise ist im Augenblick gar nicht hier«, unterbrach Crestina, »er ist in Livorno bei seiner anderen Familie. Und ich habe den Eindruck, dass er inzwischen vor meiner Tochter geflohen ist, weil sie ihm pausenlos nachstellt.«
    »Sei froh, dass sie ihm nicht auch noch über den Apennin gefolgt ist!«
    Crestina zuckte mit den Schultern.
    »Das kann ja immerhin noch kommen.«
    »Gab's da nicht etwas, was dir Moise vor einiger Zeit einmal geraten hat?«, versuchte sich Margarete zu erinnern. »Ich weiß nicht mehr, wann du mir davon erzählt hast.«
    »Ich soll sie irgendwohin schicken, weggeben, damit sie auf andere Gedanken kommt, hat er gemeint. Aber wohin soll ich meine Tochter schicken, die soeben erst in dieser Stadt angekommen ist? Vielleicht nach Konstantinopel zurück?«, fragte Crestina mutlos.
    Margarete lachte und legte Crestina den Garnknäuel, den sie inzwischen entwirrt und aufgewickelt hatte, in den Korb.
    »Vielleicht habe ich eine Idee, aber ich muss sie erst noch vertiefen.«
    Auch Crestina hatte eine Idee. Sie kam ihr in der Nacht, und sie hielt sie für aberwitzig. Aber sie war der Meinung, besser eine aberwitzige Idee als gar keine.
    Ein paar Tage später waren sie in der Küche zusammen und Crestina war soeben dabei, einen Fisch zuzubereiten.
    »Wann und wo sieht sie ihn denn überhaupt?«,

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