Stadt der blauen Paläste
von neuem vorschlug, wohin man denn den Tisch aufstellen solle. Er wolle es so haben, wie es früher gewesen sei, wie er gehört habe.
Am Abend, als Lea mit Moise längst den Palazzo verlassen hatte und Margarete in ihren Kammern im fondaco sein musste für ein Gespräch mit dem Faktor, saß Crestina auf der Altane und schaute auf den Kanal hinunter. Sie beobachtete die Boote, sah auf die Gondeln hinab, auf die Schiffe, die noch zu irgendwelchen Inseln unterwegs waren, und hatte das Gefühl, dass ihr Kopf zu klein war, um all das Glück, das sie in diesem Augenblick empfand, auch wirklich aufnehmen zu können.
Irgendwann ertappte sie sich dabei, dass sie mit sich selber redete, wie sie es gewohnt war. Sie hielt mitten im Satz inne und starrte vor sich hin.
»Du lebst nicht mehr allein«, sagte sie dann laut. »Die Zeit der Selbstgespräche ist vorüber.«
16. ›Weisses Gold‹ – Das Salz der Lagune
»Wer ist der Mann dort unten?«
Margarete beugte sich über die Brüstung des Geländers im fondaco und blickte auf den großen Innenhof hinunter, in dem soeben unter lautem Männergeschrei und Eselbrüllen eine Handelskarawane eintraf.
»Du meinst den neben dem portinaio?«
Crestina nickte zögernd.
»Ja, vermutlich den. Aber da stehen mehrere Männer.«
»Der neben dem portinaio«, erklärte Margarete, »ist einer der reichsten Salzhändler in unserer Stadt.« Dann lachte sie. »Außerdem ein vielbegehrter Mann bei der Damenwelt.«
Crestina schüttelte den Kopf.
»Nein, nein, nicht der mit dem dunkelbraunen Umhang und dem grauen Beinkleid. Ich meine den mit dem schwarzen Umhang, den schwarzen Beinkleidern und dem schwarzen Barett. Den, der gerade einen riesigen Ballen überprüft.«
»Es wird dadurch zu keinem anderen, dass er einen Ballen überprüft«, sagte Margarete amüsiert. »Es ist und bleibt nun mal der reiche Salzhändler, den ich ganz gewiss kenne. Was interessiert dich an ihm?«
»Nichts«, erwiderte Crestina hastig, »er erinnert mich nur an jemand. Aber er kann es eigentlich nicht sein.«
»Was kann er nicht sein?«, wollte Margarete wissen.
»Ein Dachdecker von der Brenta«, sagte Crestina zögernd. »Vielleicht auch ein Maurer. Oder ein Kaminbauer. Ich habe neulich, als ich bei der limonaia war, jemanden kennen gelernt, der ihm ziemlich ähnlich sieht. Aus der Ferne zumindest. Aber der, den ich meine, hatte abgetragene Kleider, gipsverschmierte Hände und abgebrochene Fingernägel.«
»Nun, die Fingernägel kannst du von hier oben gewiss nicht überprüfen«, stellte Margarete nüchtern fest. »Ansonsten könnte er es schon sein. Dieser Mann restauriert auch alte Palazzi, in der Zeit, in der er nicht gerade über die Meere fährt und Salz verkauft, oder für Venedig aufkauft.«
»Woher kennst du ihn?«
»Nun, woher wohl? Mein Vater hat mit dessen Vater früher zusammengearbeitet, vielleicht erinnerst du dich noch an diese acht dicken Salzräder in unserem Haus in Nürnberg, für die er die Verantwortung hatte, als er Ratsherr der Stadt war.«
Crestina wandte sich zum Gehen. »Vergiss es, er kann es ganz gewiss nicht sein.« Und auch nicht jener Mann, den ich vor kurzem in den Sümpfen getroffen habe, dem er ähnlich sieht, dachte sie. Was sie aber verschwieg, da sie nicht auch noch diese Begegnung ausbreiten wollte.
»Wenn er dich so interessiert, kann ich ihn ohne weiteres fragen, ob er dir schon mal begegnet ist«, sagte Margarete bereitwillig und zugleich mit einer Spur von Schalk.
»Um Himmels willen, nein! Das wäre mir mehr als peinlich, falls er es wirklich wäre«, wehrte Crestina ab. »Du kannst übrigens gern deine Flakons von Murano aus direkt in den Palazzo schicken lassen«, fuhr sie fort, »ich vermisse bereits die Düfte im Haus, wenn du nicht da bist.«
Margarete lachte.
»Gewiss nicht über carnevale, da musst du schon allein bleiben in deinem Haus, wenn niemand dich überzeugen kann, dass du mit uns mitkommst.«
»Ich feiere nicht, das weißt du. Und diesen Mann, diesen angeblichen Salzhändler oder wer immer er ist, werde ich ohnehin gewiss nicht mehr wiedersehen. Mach dir also keine Mühe damit.«
Margarete zuckte mit den Schultern.
»Wie du meinst«, sagte sie dann fröhlich, »aber man kann nie wissen, wie die Fäden laufen.«
Sie traf den Mann mit den gipsverschmierten Händen genau drei Tage später. In der Vorhalle ihrer Bank, als sie gerade eine Banksache getätigt hatte und sich dem Ausgang zuwandte. Sie sah noch auf ihre Zettel und nahm daher
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