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Stadt der blauen Paläste

Stadt der blauen Paläste

Titel: Stadt der blauen Paläste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bayer
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die Person, die eine bautta trug und neben der Tür stand, kaum wahr. Die Zahl der Leute, die das Gleiche trugen, hatte sich in den letzten Tagen sprunghaft vermehrt. Sie wollte die Tür soeben öffnen, als die Person einen Schritt vortrat und ihre Hand auf die ihre legte.
    »Wollt Ihr mit mir carnevale feiern?«
    Crestina zuckte zusammen, ließ den Stapel mit Papieren, den sie soeben abgeholt hatte, los und sah fassungslos hinterdrein, wie sich die Blätter im halben Schalterraum auf dem Boden verteilten. Der Mann bückte sich sofort, um die Papiere wieder einzusammeln, hielt sie ihr entgegen, aber sie bemerkte es kaum, da ihr Helfer inzwischen ganz langsam die Maske heruntergelassen hatte.
    »Ich wollte Euch ganz gewiss nicht erschrecken«, sagte er entschuldigend, »es war nicht meine Absicht.«
    Für einen Augenblick starrte ihn Crestina schweigend an, dann nahm sie die Papiere entgegen, ohne sich dafür zu bedanken. Sie schob sie mit zitternden Fingern achtlos in die Hülle, die sie in ihrem Korb bei sich trug, und versuchte dann, auf die Straße zu kommen, was ihr jedoch nicht gelang, da der Mann mit seiner ganzen Breite die Tür verstellte.
    »Ich wollte Euch wirklich nicht erschrecken«, entschuldigte er sich ein zweites Mal, »aber ich konnte nicht annehmen, dass Ihr so ungestüm auf das Wort carnevale reagieren würdet.«
    »Ich mag das Wort nicht«, sagte Crestina brüsk und ging mit raschen Schritten an ihm vorbei auf die Straße.
    Der Mann folgte ihr ebenso rasch.
    »Früher mochtet Ihr es sehr wohl. Wenn ich mich recht erinnere, konntet Ihr gar nicht genug von carnevale bekommen«, sagte er dann und kniff die Augen zusammen.
    Sie blieb so abrupt stehen, dass er fast erneut mit ihr zusammenstieß.
    »Was soll das heißen?«
    »Nun, es soll heißen, dass …«, er machte eine Pause, wischte ein Stäubchen von seinem Umhang, »es soll heißen, dass Euch keine Nacht lang genug erschien, um sie nicht bis zum Ende auszukosten.«
    Sie stellte den Korb auf den Boden, öffnete die Bänder ihrer Schute. »Wer hat Euch davon erzählt?«, fragte sie dann, noch immer fassungslos.
    »Erzählt«, sagte der Mann gedehnt, »erzählt wurde es mir nicht unbedingt. Ich war dabei. In einigen Nächten zumindest. Den Rest erfuhr ich von Eurem Bruder.«
    Sie spürte, wie das Blut ganz langsam aus ihren Adern zu weichen schien, und griff sich an die Stirn.
    »Von meinem Bruder?«
    »Nein, nein, Ihr werdet hier nicht auf den Boden sinken«, sagte er rasch und ergriff ihren Arm. »Das war noch nie Eure Art, mit so etwas umzugehen. Lasst uns hier auf eine Bank setzen.«
    Er nahm ihren Korb, führte sie dann am Arm zu der Bank, die am Rand des Platzes stand.
    »Ihr wisst das von meinem Bruder?«, fragte sie dann stockend. »Ich meine, Ihr kanntet ihn? Ihr kanntet Riccardo?«
    »Natürlich. Riccardo. Alessandro war zu jener Zeit doch bereits tot, wenn ich recht informiert bin.«
    Sie schluckte.
    »Ja, er war tot«, sagte sie, legte die Hand auf den Henkel ihres Korbes und begann die Stränge des Weidengeflechts nachzuzeichnen. »Ihr kanntet also meinen Bruder Riccardo«, wiederholte sie, noch immer ungläubig, und hatte dabei das Gefühl, dass das Blut in ihren Kopf zurückkehrte.
    »Weshalb nicht?«, wunderte er sich. »Viele Leute kannten Euren Bruder. Viele Leute schätzten ihn, manche liebten ihn. Glaubtet Ihr, er gehörte Euch allein?«
    Sie schüttelte langsam den Kopf, so, als sei er an einem Faden von einem Marionettenspieler gezogen. »Und woher kanntet Ihr ihn?«
    Der Mann blickte sie aufmerksam an.
    »Von Padua.«
    Sie starrte ihn an, nahm zum ersten Mal wahr, dass seine bautta eine magisch schillernde Farbe besaß, die ihr sehr gefiel. Sie dachte kurz nach.
    »Von Padua? Etwa von der Universität?«, fragte sie dann zögernd.
    Er lächelte.
    »Ja, etwa von der Universität. Wenn man Padua sagt, bedeutet es das bisweilen.« Er berührte für einen winzigen Augenblick ihren Arm. »Können wir noch einmal von vorne beginnen?«, fragte er dann sanft. »Ich bin Renzo Grimani, ein Name, um den ich Euch zweimal betrogen habe.«
    Crestina atmete tief durch und schüttelte seine Hand ab.
    »Ich weiß, wer Ihr seid. Inzwischen weiß ich es«, sagte sie dann zornig. »Es muss Euch doch einen diebischen Spaß gemacht haben, mich an der Nase herumzuführen, oder?«
    »Nicht unbedingt diebisch«, gab er zu, »aber ein wenig schon. Und schließlich habe ich Euch nicht bei allem an der Nase herumgeführt. Ich komme wirklich aus einer

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