Stadt der blauen Paläste
weißt du eigentlich, welchen Beruf er hat?«
»Ich weiß es nicht, aber es interessiert mich auch nicht.«
»Nun, er ist Sklavenhändler. Daher das viele Geld, von dem diese Frau nicht einmal weiß, woher es stammt. Ich weiß nicht, welche Lügen er ihr auftischt, aber du darfst sicher sein, dass er es tut. Und dass die Dinge, mit denen er handelt, nicht nur Sklaven sind. Es sind Dinge, für die sich die Obrigkeit interessiert.«
»Und was weißt du von mir, was für die Obrigkeit interessant sein könnte?«
»Ziemlich viel, liebe Cousine«, sagte er leise, »du würdest dich wundern.«
»Ich würde es dir einfach nicht glauben. So wenig, wie das Buch über Palladio stimmt, so wenig weißt du Dinge über mich, die gefährlich sein könnten.«
Er setzte sich, riss einen Grashalm ab und steckte ihn in den Mund.
»Vor einigen Wochen bist du mit einem abgewetzten Ledersack und einem Manuskript nach Padua geritten, in Männerkleidung. Es war ein verbotenes Manuskript und derjenige, der es weiter nach Basel transportieren wollte, zum Druck, ist später geschnappt worden. Deine Freunde treffen sich noch immer in den Gärten von San Giorgio und halten dort verbotene Treffen ab. Ich kenne einen Fischer, der dort wohnt und genau aufschreibt, wer mit wem zu welcher Zeit dort eintrifft und wann er wieder die Insel verlässt. Und früher hat der alte Taddeo mit geschmuggelten Büchern unter seiner Ladentheke auf der Rialtobrücke gehandelt und wenn du zu ihm kamst, verließ er jedes Mal seinen Stand, um sich mit dir im Flüsterton zu unterhalten. Worüber wohl? Ganz gewiss nicht über die Fischpreise oder darüber, ob das Brot schon wieder teurer geworden ist.«
Crestina lachte.
»Das ist spannend, was du alles weißt. Hast du Beweise dafür? Du weißt ja, ohne Prozess bekommst du gar nichts.«
»Beweise?«, sagte er zornig, »Beweise? Wozu sollte ich Beweise brauchen? Du weißt ja nicht einmal, was deine Freunde an einem Tag wie dem heutigen tun.«
»Und, was tun meine Freunde an einem Tag wie dem heutigen Verbotenes?«
»Frag sie doch einfach«, sagte er dann hämisch lachend. »Frag nach, was deine Freundin Margarete heute in Padua tut, was dein Freund Leonardo in Padua tut und frag deinen so genannten ›Salzsieder‹, weshalb auch er heute in Padua ist.«
»Du musst verrückt sein«, sagte sie fassungslos. »Weshalb sollten drei Leute, die nichts miteinander zu tun haben, nicht am gleichen Tag nach Padua gehen?«
Bartolomeo lachte auf.
»Das glaubst auch nur du! Vor allen Dingen das Märchen mit dem Ambra, das deine Nürnberger Freundin angeblich in Padua kaufen will. Ich frage mich, bei wem sie das kaufen will. Die meisten Sachen bekommt sie von einem Apotheker in Murano. Und Leonardo. Frag ihn doch, an was er jetzt gerade arbeitet. Was er vorhat. Und dieses Kind, das von deiner jüdischen Freundin Lea, ist in mehr Dinge verwickelt, als sie sich vorstellen kann.«
Crestina stand auf, wandte sich abrupt zum Gehen.
»Mich interessiert nicht, was meine Freunde in Padua machen, und auch nicht, was die übrigen hunderte Venezianer, die gerade dort sind, dort tun. Lass dich von einem Arzt kurieren, ich empfehle dir einen aus dem Ghetto. Da gibt es einen, der sich besonders mit Hirnkrankheiten auskennt.«
Bartolomeo verschluckte sich vor Lachen.
»Ausgerechnet im Ghetto! Darf deine Freundin Lea überhaupt ihre alten Bücher in deinem Palazzo verkaufen?«
»Sie verkauft sie nicht, sie katalogisiert sie lediglich, weil sie dazu in diesem winzigen Buchgeschäft keinen Platz hat.«
»Ja, ja, ja, aber die christliche Dienerin, die als Hausgehilfin bei ihrer Freundin Diana arbeitet, ist auch nicht koscher. Und dieser Junge, den sie das Pestkind nennen, weißt du auch über ihn Bescheid? Leider ist er noch zu klein, um ihn zur Anzeige zu bringen, aber so bald er groß genug ist, werde ich es tun. Er holt die geheimen Zettel, die Anzeigen, die für die cattaveri bestimmt sind, wieder aus den Häuserritzen, um seine Leute vor Strafe zu bewahren. Er würde am liebsten die Männer bestechen, die an den Ghettotoren stehen und sie bewachen, wenn die Juden außerhalb der richtigen Zeiten kommen und aufgeschrieben werden müssen. Er hat einen Freund, Isaak, der sechs Jahre älter ist als er, der sich weigert, den roten spitzen Hut zu tragen, den die Juden tragen müssen. Und dieses Pestkind sagt, dass er ganz gewiss nie einen roten Hut tragen werde. Er ist ein Aufrührer, obwohl er noch ein Kind ist. Und«, Bartolomeo
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