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Stadt der blauen Paläste

Stadt der blauen Paläste

Titel: Stadt der blauen Paläste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bayer
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sagte Moise zornig, »sehr böse, bei den Kreuzzügen.«
    Lea runzelte die Stirn. »Und woher weißt du das schon wieder? Lernt ihr diese Sachen in der Jeschiwa?«
    »Nicht alles. Manches weiß ich auch so«, sagte Moise und sah Lea prüfend an. »Von Isaak«, stieß er dann triumphierend hervor und spielte damit seine stärkste Waffe aus.
    »Isaak?« Lea schüttelte verärgert den Kopf. »Natürlich wieder von Isaak. Woher kommt er eigentlich?«
    »Aus Spanien«, erklärte Moise bereitwillig.
    »Aha«, sagte Lea unbedacht und sah erleichtert die eine der Brücken zum Ghetto bereits vor sich liegen.
    »Was heißt ›aha‹?«, fragte Moise misstrauisch und betrachtete Lea wie ein Hund, der endlich eine Gelegenheit sieht, seinen schon lange beobachteten Knochen zu schnappen. »Seine Vorfahren sind von dort vertrieben worden.«
    »Das weiß ich auch«, erwiderte Lea hastig und verfiel dabei unüberlegt ins Jiddische. In der Sorge, es könnte sich bereits wieder ein Verhör anschließen, ob sie Juden, die nicht in die aschkenasische Synagoge gingen, die nach einem anderen Ritus beteten, eine andere Sprache sprachen etwa geringer einschätze.
    »Sprich nicht immer so, dass ich dich nicht verstehe«, sagte Moise dann jedes Mal zornig, wenn Lea in diese Sprache überwechselte, da er sie nur unvollkommen beherrschte.
    Als sie das Tor zum Ghetto endlich erreichten, war der eine der Wächter, der Pockennarbige, bereits gegangen. Der andere packte soeben seine Sachen zusammen. »Ihr kommt spät«, sagte er dann und blickte prüfend auf Leas Korb.
    »Gerade ein paar Minuten«, erwiderte Lea und überlegte, ob es sich lohnte, für diese wenigen Minuten einen ihrer beiden Fische zu opfern. Also versuchte sie es mit einem kleinen Beutel mit Kichlech, die sie am Morgen gebacken hatte.
    Der Mann murrte unfreundlich vor sich hin, dass er das süße Zeug nicht möge, und ließ Lea im Zweifel, ob er ihren Namen nun doch noch eintragen würde, sodass Lea sich schweren Herzens von einem ihrer beiden Fische trennte. Und überschlug, dass fünfundzwanzig Dukaten allemal ein größerer Verlust waren als ein gepökelter Fisch.
    »Sag's mir, was da in seinem Buch steht«, sagte Moise wissbegierig, als sie jetzt gelassen über den Platz des ghetto nuovo gingen, über die Ponte di Ghetto Vecchio und dann gemächlich ihrem Haus zustrebten.
    »Nun, er hat uns ja nicht eingetragen«, sagte Lea mit einem Gefühl von Stolz, dass sie diese schwierige Situation mit den Behörden wieder einmal gemeistert hatte. Auf ihre Art und Weise.
    »Aber was hätte denn da gestanden, wenn du keinen Fisch gehabt hättest?«, bohrte Moise nach. »Nicht alle Frauen haben gleich einen Fisch in ihrem Korb, wenn sie zu spät kommen.«
    »Nun, es hätte gestanden, dass wir zu spät nach Hause gekommen sind.«
    »Nein, sag's richtig«, beharrte Moise, als ginge von diesem Satz ein Zauber aus, den er sich für immer und alle Zeiten zu merken habe.
    Lea blieb stehen.
    »Es hätte gestanden: Lea Coen und Moise Coen sind hinausgegangen an der Brücke von San Girolamo. Und zurückgekehrt an der Fondamenta di Cannaregio. Und dann beide Male die Uhrzeit.«
    »Sie haben also den Morgen auch eingetragen, obwohl wir da gar nicht zu spät kamen?«, empörte sich Moise.
    Lea wehrte ab. Genau genommen wusste sie nicht mehr, wie die Formulierung wirklich lautete. Es war Abram gewesen, der über all diese Dinge Bescheid gewusst hatte. Sie hatte sich vor seinem Tod kaum für solche Sachen interessiert.
    Aber Moise hatte den Satz bereits aufgegriffen. Er hüpfte vor Lea die calle entlang und sang ihn vor sich hin, so, als wolle er einen Gegenzauber ausprobieren. »Lea Coen ist zurückgekehrt an der Fondamenta die Cannaregio. Hinausgegangen an der Brücke von San Girolamo. Moise Coen ist zurückgekehrt an der Fondamenta di Cannaregio. Fondamenta di Cannaregio. Fondamenta di Cannaregio.«
    In der Nacht darauf dann sein üblicher Albtraum.
    Moise hatte seine Schlafbank verlassen, kroch weinend zu Lea hinüber, was Lea stets in Bedrängnis brachte, weil sie annahm, sie habe irgendeine Schuld auf sich geladen mit diesem Kind und ihm möglicherweise nicht alle Liebe zukommen lassen, zu der sie fähig war. »Hast du wieder geträumt?«
    Moise schluchzte und nickte.
    »Malamocco?«, fragte Lea behutsam, so, wie Abram sie einst gefragt hatte, ob es der Traum vom capel nero sei, der sie quäle.
    Moise nickte wieder.
    »Sie haben heute schon wieder eine Decke eingezogen«, sagte er dann schluchzend.

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