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Stadt der blauen Paläste

Stadt der blauen Paläste

Titel: Stadt der blauen Paläste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bayer
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Mandarinen in Kübeln. Du konntest genug Früchte essen, wenn du Lust darauf hattest.«
    »Aber doch nicht, ohne zu fragen«, beschwerte er sich. »Du vergisst, dass es eure Bäume waren, eure Früchte. Irgendwen musste ich immer fragen, deine Mutter, deinen Vater, deine –«
    »Meine Mutter interessierte sich nicht für Bäume, sie wusste gewiss nicht einmal, wo es welche auf unserem Besitz gab und was es für Bäume waren. Sie ließ sich von meinem Vater kleine silberne Bäumchen schenken, solche mit Diamanten. Und mein Vater«, Crestina lachte auf, »glaubst du im Ernst, dass ihn Bäume interessierten? Er interessierte sich für seine Mumien in seinen Lagerhallen, für seine Stoffballen, seine was weiß ich alles.«
    »Dann eben Anna«, sagte Bartolomeo beleidigt. »Anna gebärdete sich jedes Mal wie ein Pascha, der über einen ganzen Harem von Früchten zu befehlen hatte anstatt Frauen. Früchte mussten gewaschen, aufgefädelt, auf den Speicher gehängt und eingekocht werden. Sie kamen auf den Tisch, wenn Gäste da waren, sie waren nicht dazu da, einfach so gegessen zu werden. Aus purer Lust.«
    »Du wirst mir doch nicht weismachen wollen, dass dir Riccardo verboten hätte, Früchte von unseren Bäumen zu pflücken? Er war der gütigste Mensch, den ich kannte.«
    »Riccardo?« Bartolomeo lachte auf, »wirklich Riccardo? Er wäre zwar zu jeder Zeit bereit gewesen, mir einen Horaz zu leihen oder auch zu schenken, wenn er ihn doppelt besaß und nur dann. Aber er hätte doch niemals auch nur ein Gramm Gehirnschmalz dafür verwendet, über einen so banalen Gegenstand wie eine Frucht nachzudenken. Und dass das Pflücken, ja, das Pflücken solch einer Frucht für mich …«, er stockte, sprach dann trotzig weiter, »… für mich schon fast eine sakrale Handlung war, hätte er doch nie geglaubt. Dass es zu den wenigen Momenten gehörte, wo ich wirklich an Gott dachte. Wenn ich mit ihm darüber hätte reden wollen, dass Gott auch mir diese Früchte schenkt, nicht nur euch, hätte er mich doch für verrückt gehalten.«
    »Hör auf!«, sagte sie zornig. »Versuch nicht, mein Mitleid heraufzubeschwören, mich kannst du nicht reinlegen wie diese einfältige Frau mit ihrer Geltungssucht. Du willst die limonaia doch nicht wegen dieser angeblich sakralen Handlung des Früchtepflückens. Du willst sie doch nur deswegen, weil du ganz genau weißt, wie viel sie mir bedeutet, wie sehr ich an ihr hänge. Und weil sie dir damals bei deinem Betrug mit diesem Testament meines Vaters zwischen den Fingern entwischt war.«
    Er seufzte, stand auf.
    »Weshalb können Menschen nur nie normal miteinander reden?«, sagte er dann. »Ich sage etwas, du erwiderst etwas, aber es hat gar nichts mit dem zu tun, was ich gesagt habe.«
    »Gut«, sagte Crestina rasch, »dann sind wir jetzt wirklich so weit, dass wir von dem Preis reden können, also wie viel?«
    »Nun, Dukaten«, sagte Bartolomeo vage, »viele Dukaten. Du weißt ja: sit tibi Christe datus quem tu regis iste ducatus – dir Christus –«
    »Ich weiß, was auf unseren Dukaten steht«, unterbrach ihn Crestina grob. »Mich interessiert, wie du sie bezahlen willst, diese Dukaten. Auf die Hand?«
    Sie sah, wie sein Gesicht rot anlief, dann machte er einen Schritt auf sie zu.
    »Ich denke, ich sollte dir mal wieder ins Gedächtnis rufen, wie ich meinen Lebensunterhalt bestreite, weißt du das überhaupt?«
    »Das ist in Venedig kein Geheimnis: fünfhundert Dukaten für eine Anzeige, davon ein Drittel für den Staat, ein Drittel für die cattaveri und ein Drittel für den Denunzianten. Ist das richtig?«
    »In etwa schon.«
    »Was heißt in etwa?«
    »Nun, es gibt ja auch Dinge, die man nicht zur Anzeige bringt. Und das lässt sich mit Leichtigkeit ebenfalls in Dukaten ummünzen. Es kann, wenn man es geschickt anstellt, sogar mehr einbringen.«
    Sie stand auf, versuchte ihren Zorn zu unterdrücken.
    »Das heißt, dass du nicht nur ein Denunziant, sondern zugleich ein mieser kleiner Erpresser bist, und dass du –«
    »Halt ein, halt ein!«, sagte er grob. »Du vergisst, mit wem du sprichst. Du vergisst, dass meine Schubladen voll sind mit diesen Dingen, die ich nicht in die bocca gebe. Sie liegen in meinem Versteck, gut aufbewahrt.« Er lächelte. »Angaben über alle Menschen übrigens.«
    »Du meinst also auch von mir?«, flüsterte sie.
    »Selbstverständlich auch von dir. Wozu habe ich meine Spitzel? Dieser Besitzer der Villa zum Beispiel mit seiner einfältigen Frau aus Basel,

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